Die kurze Demo gegen Corona

Innerhalb von zwei Wochen hat Pirna am Mittwochabend die sechste Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen erlebt. Doch anders als bei der jüngsten Demonstration am Sonntag blieb es durchweg friedlich. Die Polizei sicherte die Veranstaltung mit zahlreichen Beamten ab.
Bereits vor 19 Uhr versammelten sich Hunderte Menschen am Markt. Zu dieser Zeit hatte die Polizei bereits Mannschaftwagen an Mannschaftswagen zu einer Sperre gereiht und verhinderte damit von vornherein Spaziergänge ums Rathaus. Mehrere vorherige Demos wurden als „Spaziergang für Grundrechte“ etikettiert, um den Regeln zu Versammlungen in der Corona-Zeit zu entgehen.
Doch diesmal war es anders: Wurden in den vergangenen Tagen mehrere Kundgebungen mangels eines Versammlungsleiters aufgelöst, stand um 19 Uhr der Pirnaer Stadtrat Tim Lochner (AfD-Fraktion) auf einer Bank gegenüber dem Rathaus und gab sich als solcher zu erkennen. Dass er diese Rolle übernehmen wird, war nach einem Facebook-Post von ihm am Vortag erwartet worden.
Erstaunlich wenig Auflagen
Kurz musste er seine Rede fassen, eine Begrenzung der Veranstaltungsdauer auf 15 Minuten gehörte zu den Auflagen. Derer gab es aber am Ende auffällig wenig – Lochner hat zumindest seine Zuhörer nicht aufgefordert, einen Mundschutz anzulegen. Ebensowenig bestand offenbar die Vorgabe, die Kontaktdaten der Teilnehmer zu erfassen oder Risikogruppen nach Hause zu schicken.

Die Corona-Beschränkungen prangerte Lochner als völlig unverhältnismäßig an. Wenn 0,01 Prozent der Bevölkerung positiv getestet sei, könne man nicht über vier Millionen Sachsen Mundschutz verordnen. Er sprach die Situation von Hoteliers und Ferienwohnungsvermietern an, die unter dem gänzlichen Wegfall ihrer Einnahmen leiden; aber auch die von Patienten in Kliniken und alten Menschen in Pflegeeinrichtungen. Sie alle sollen eine Perspektive bekommen, appellierte er an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Und weiter: „Sie propagieren, dass Nähe tötet, ich sage aber, dass Distanz tötet.“
Drohkulisse Zwangsimpfung
Das Publikum klatschte mehrfach Beifall – den größten Applaus gab es aber für die Forderung, die angebliche „Drohkulisse einer Zwangsimpfung“ zurückzunehmen. Unmutsbekundung kam nur von einem ganz schwarz gekleideten Mann mit dunkler Sonnenbrille, der Lochner als „Verräter“ beschimpfte – wohl weil dieser die Veranstaltung in legale Bahnen lenkte.Bei einem Seniorenpaar aus Dresden stießen Lochners Worte auf Zustimmung.
Die beiden über 80-Jährigen erzählten, dass sie keine Angst vor dem Virus haben. „Wir haben viel mehr Angst, dass unsere Tochter aus Baden-Württemberg nicht zu uns kommen kann, wenn wir sie mal brauchen“, so die ältere Dame. Dorthin sei die Tochter gezogen, der Arbeit wegen. Andere tragen ihre Einstellung zur Schau, man sieht Erkennungszeichen der Identitären und anderer rechtsextremer Gruppen.
Viel AfD-Prominenz
Dazu ganz viel AfD-Prominenz: der sächsische Generalsekretär der Partei, Jan Zwerg; die Landtagsabgeordneten André Barth und Ivo Teichmann sowie der Kreisrat und Polizist Steffen Janich, gegen den seine Kollegen wegen der ersten unangemeldeten Demo ermitteln. Auch der Pegida-Anwalt Jens Lorek lief über den Marktplatz.Der Pirnaer Stadtrat André Liebscher (Freie Wähler) legt Wert darauf, nur als Beobachter dabei gewesen zu sein. Der frühere Mitarbeiter von Frauke Petry sagt: „Ich habe Angst, dass das hier eine zweite Pegida wird.“
Die meisten gingen nach der Demo friedlich nach Hause. In der Barbiergasse und in der Jacobäerstraße jedoch weigerten sich Dutzende Menschen, den Anordnungen der Polizei zu folgen. Für sie gab es Knöllchen à 150 Euro.
Am späten Abend zog die Polizei ein positives Fazit. "In Pirna fand heute Abend eine Versammlung unter den aktuellen Infektionsschutzbestimmungen statt, die störungsfrei verlief", sagte Einsatzleiter Hendrik Schlicke. Die Zahl der Demo-Teilnehmer auf dem Markt gibt die Polizei mit 250 an. Gleichzeitig habe es im Umfeld der Demo ein paar Unbelehrbare gegeben, gegen die man vorgegangen sei.
So seien zwei Gruppen in der Altstadt den wiederholten Anforderungen nicht nachgekommen, sich aufzulösen. Daraufhin habe man die Personalien von 69 Personen aufgenommen und gegen sie Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.
Zudem sei eine Ansammlung von etwa 100 Personen im Bereich Barbiergasse/Markt festgestellt worden. Die Beamten hätten dafür gesorgt, dass sich diese Personen einzeln entfernen konnten.