Herr Vorjohann, Sie haben eine partielle Haushaltssperre verhängt, wie lange gilt diese?
Die Sperre gilt auf Zeit. Ich kann sie nicht willkürlich verhängen. Wenn Geld auftaucht, muss ich die Sperre wieder aufheben. Wir versuchen, nur Bereiche ohne Außenwirkung zu treffen. Bei allen Pflichtleistungen, Personal und Investitionen ist im Moment nichts gesperrt. Da muss man die Entwicklung beobachten.
Kann der Stadtrat die Sperre aufheben, um etwa das Sozialticket einzuführen?
Der Stadtrat kann beschließen, dass er sich darüber hinwegsetzt. Er muss das allerdings vernünftig begründen, indem er Geld gefunden oder andere Sparmaßnahmen ergriffen hat. Wenn er das einfach nur so macht, ist das rechtswidrig.
Wo liegen denn die finanziellen Probleme genau?
Im Jugendamt laufen uns die Kosten für die Hilfen zur Erziehung davon. Also dort, wo Jugendliche in ihren Familien nicht zurechtkommen oder umgekehrt und betreut werden müssen. Obwohl wir das Geld wie vom Jugendamt beantragt eingestellt haben, reicht es nicht. Die Entwicklung der Kosten verläuft derzeit in Zehn-Millionen-Euro-Schritten nach oben. 2013 hatten wir 50 Millionen Euro, 2014 dann 60 Millionen Euro und nun 70 Millionen Euro. Dazu kommen die steigenden Personalkosten in den Kitas, also die Tariferhöhung für die Erzieherinnen und Erzieher, die Ver.di fordert. Das wird uns mindestens vier Millionen Euro mehr kosten, obwohl wir eine Tarifsteigerung eingeplant haben.
Die Erziehungshilfen steigen, wird zu wenig für Prävention getan?
Das ist kein alleiniges Dresdner Phänomen. Wir haben natürlich bei steigenden Kinderzahlen auch mehr Fälle, die im Jugendamt ankommen. Wahrscheinlich kommen Familien zunehmend nicht mit ihren Kindern zurecht. Das hat aber auch mit einer höheren Aufmerksamkeit zu tun, dass Nachbarn, Lehrer und Erzieher genauer gucken. Und in diesem Umfeld ist eine Betreuungsindustrie entstanden. Da geht es auch um Arbeitsplätze und wirtschaftliche Interessen. Wir brauchen mehr Personal im Jugendamt, damit geguckt werden kann, ob die Betreuung vernünftig gemacht wird und nicht dazu führt, einen Fall als Ertragsquelle zu betrachten.
Dresden gilt als reiche Stadt.
Was muss langfristig getan werden?
Dresden ist keine reiche Stadt. Wir haben uns eine ganz gute Haushaltssituation erarbeitet, nachdem wir 2006 die Woba verkauft haben. Wir müssen schauen, welchen strategischen Plan wir verfolgen. Bisher war es Konsens, in Bildung zu investieren. Dann kamen die beiden Kulturgroßprojekte mit rund 200 Millionen Euro dazu. Einen eigenen strategischen Plan von Rot-Grün-Rot sehe ich nicht. Im Moment wird dort kleinteilig an den Haushalt drangebaut. Der eine macht was für Kulturvereine, der andere im Jugendbereich. Wenn ich von drei Fraktionen alles aufaddiere, habe ich keinen strategischen Plan, mache aber die Finanzen kaputt.
Ist das nicht nachvollziehbar, dass Rot-Grün-Rot Veränderungen vornimmt?
Das ist nicht ungewöhnlich. Wenn man aus der Opposition heraus ist, sollte man aber mehr auf den Tisch legen. Jeder für sich hat vielleicht einen Plan: Der eine will eine neue Wohnungsbaugesellschaft, der andere eine ökologische Wende. Man muss zu einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung kommen. Ohne ist es gefährlich. Interessanterweise ist aus unserem Haushaltsentwurf nichts herausgenommen worden. Jeder hat zur Befriedung der eigenen Leute etwas in den Haushalt hineingenommen. Das ist zwar jeweils eine eigene Handschrift. Aber drei Handschriften sind für einen Haushalt schwierig, weil teuer.
Ist eine neue Woba für Dresden finanzierbar?
Man muss gucken, um welche Dimensionen es geht. Im Moment ist vom Rat beschlossen: Ja, wir wollen eine Wohnungsbaugesellschaft. Details werden geklärt. Dann wird irgendwann die Preisfrage sein, wie viel Geld und Grundstücke der Stadt in die Hand genommen werden. Dann muss die Zielvorstellung geklärt werden. Momentan heißt es, wir wollen Mieten für sieben Euro kalt pro Quadratmeter anbieten. Das wird für die Stadt ein teurer Spaß. Denn das Bauen wird etwa neun Euro kosten. Die Differenz kann keiner städtischen Gesellschaft aufs Auge gedrückt werden. Das wäre verdeckte Gewinnausschüttung, die der Fiskus hoch besteuert und aus dem städtischen Haushalt zu bestreiten wäre.
Wie viel würde das die Stadt kosten?
Die Stadt müsste vom Baupreis etwa 600 Euro pro Quadratmeter subventionieren. Bei einer 60-Quadratmeterwohnung sind das 36 000 Euro. Bei 10 000 Wohnungen wäre man also bei 360 Millionen Euro.
Sie halten die neue Woba also für den falschen Weg?
Ja, zumal jetzt und absehbar hier viele Wohnungen von Privaten gebaut werden. Derzeit werden pro Jahr mehr als 4 000 Baugenehmigungen erteilt. Aber der Stadtrat muss das entscheiden.
Wie lange schätzen Sie, bleibt Dresden weiterhin schuldenfrei?
Das ist eine Frage des politischen Willens. Die Stadt kann auf jeden Fall schuldenfrei bleiben. Ich unterstelle aber bestimmten politischen Kräften – dem Trio Schollbach, Matthis, Kießling von den Linken – dass es für sie eine grundsätzliche Frage ist. Sie wollen die alte Woba-Schlacht noch gewinnen. Die Linke will die Stadt in die Verschuldung treiben. Das unterstelle ich den anderen politischen Kräften im Rat aber nicht. Da muss man gucken, wie sich die Mehrheitsverhältnisse entwickeln.
Weshalb sollten Schulden für die Linke wichtig sein?
Die Kernargumente gegen den Woba-Verkauf waren damals: Eine Wohnungsbaugesellschaft verkauft man nicht und eine Entschuldung ist ohnehin nicht dauerhaft. Damals hat es die Partei in Dresden zerrissen und man will heute vor der Geschichte recht behalten.
Sie haben noch gut ein Jahr, bis Ihre Amtszeit endet. Wird das für Sie schwierig mit der Mehrheit?
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Das Arbeiten aus der Verwaltung heraus, wo man mit den täglichen Problemen zu tun hat, wird erden. Die Erdung von Menschen bedeutet immer, dass man pragmatische, machbare Lösungen gemeinsam suchen muss. Darin liegt eine große Chance.
Was machen Sie danach?
Das verrate ich noch nicht.
Das Gespräch führte Andreas Weller.