SZ +
Merken

Die Motorsport-Verrückten

Im Organisationsbüro des MC Oberlausitzer Bergland, Ausrichter vom Autocross-Rennen auf dem Matschenberg bei Cunewalde, steht das Telefon nicht still. Mathias Klügel, Geschäftsführer des Klubs, erläutert...

Teilen
Folgen

Von Thomas Drendel

Im Organisationsbüro des MC Oberlausitzer Bergland, Ausrichter vom Autocross-Rennen auf dem Matschenberg bei Cunewalde, steht das Telefon nicht still. Mathias Klügel, Geschäftsführer des Klubs, erläutert den Anrufern, wann die Läufe stattfinden oder wie sie am besten den Weg auf den Matschenberg von Weigsdorf-Köblitz finden. „So geht das schon seit Tagen.“

Die ganze Woche hat er sich bereits freigenommen. Jede Menge Papierkram sei zu erledigen gewesen. „Die Anmeldungen der Fahrer kamen rein. Dann mussten die Läufe zusammengestellt und der genaue Ablaufplan für die beiden Renntage erarbeitet werden. Ganz zu schweigen von der vielen Telefoniererei“, erzählt er.

156 Fahrer wollen diesmal an den Start gehen

Nein, Schwierigkeiten wegen der freien Tage gebe es mit seinem Arbeitgeber nicht, denn er sei selbstständig. Chemikalienhandel. Da sei das schon mal drin. „Schließlich habe ich mir im Sommer nur eine Woche Urlaub gegönnt.“ Dann rückt er den Stummel seines Zigarillos im Mundwinkel zurecht und beugt sich wieder über die Starterlisten. 156 Fahrer sind darauf verzeichnet. Ein Rekord. Im vorigen Jahr waren es 108. „Wenn die Zahl der Zuschauer genauso wächst wie das Fahrerfeld, dann sind wir zufrieden.“ Der das sagt, sieht aus wie Norbert Haug, der Motorsportchef von Mercedes. Aber Joachim Hennersdorf hat eine rote Sportjacke an, wie die von Ferrari. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen, er ist der Organisator der Rennen. Nur wegen der Zuschauer würden sie das hier machen, sagt er. „Wenn viele Leute zu den Rennen kommen, ist das der Lohn für die ganze Arbeit.“ Aber auch ein wenig verrückt müsse man sein, um seinen Urlaub den Rennen zu opfern. Verrückt wie Reinhold Messner, der Bergsteiger. „Weshalb der auf Achttausender klettert, weiß er sicher auch nicht so genau. Er macht es halt. Und wir machen unseren Motorsport.“

Nur die Strecke in Kasan ist besser

Dann holt er ein Papier von der FIA, der internationalen Organisation des Automobilsports, hervor. Dort steht, der Matschenberg hat im europaweiten Vergleich der Motocross-Strecken den zweiten Platz belegt. „Lediglich die in Kasan, in der ehemaligen Sowjetunion, ist besser.“ Die gute Platzierung sei wichtig, wenn ein neuer Klub sich um einen Europameisterschafts-Lauf bewirbt. „Dann nimmt die FIA einen Veranstalter mit schlechter Bewertung aus dem Rennplan raus. Der Matschenberg hat also alle Chancen auch künftig EM-Läufe zu veranstalten.“

Nur noch wenige Stunden, dann fällt der erste Startschuss. Jetzt sind 50 Leute dabei, an der Strecke Absperrzäune aufzustellen, Werbung der Sponsoren anzubringen und die Fahrbahn auf der Strecke zu glätten. „Dafür stellt uns glücklicherweise eine Firma Technik und Personal zur Verfügung“, erklärt Rennleiter Lutz Edlich. Das Rennen sei überhaupt ohne Unterstützung zahlreicher Firmen nicht denkbar. Die Lautsprecheranlage installieren zwei Unternehmen aus Cunewalde und Neugersdorf. Die Firmenchefs, zwei Brüder, haben seit langem Benzin im Blut, wie sie sagen. Der ältere, Joachim Brückner, ist 70 und fuhr früher selber Rennen. „Damals war noch viel mehr los“, schwärmt er. „Wenn ich da nur an die Bautzener Autobahnrennen denke.“ Vier Leute seiner Firma seien im Einsatz, Lautsprecher aufzuhängen, Kabel zu ziehen und Mikrofone zu installieren. „Den Großteil erledigen wir heute, morgen früh den Rest. Dann ist auch Soundcheck“, sagt der 70-jährige.

Im Obergeschoss des Start-Ziel-Turmes basteln währenddessen zwei Computerfachleute. Der eine wohnt in Weißenberg, der andere in Essen. Ja, er sei nur wegen des Rennens hergekommen, sagt Tim Köhler. Sie machten das aus reinem Privatvergnügen. Sechs Computer werden von ihnen aufgestellt. Darüber laufen Ergebnisse der Rennen. Damit das funktioniert, schrieb Tim Köhler extra ein Software-Programm. Früher wurden zwischen Fahrerlager und Rennleitung Faxe hin und her geschickt. „Das war schon umständlich.“

Auch der Buggy braucht sein eigenes Zelt

Im Fahrerlager, es liegt 500 Meter von der Strecke entfernt, treffen am Freitagmittag die ersten Motorsportler ein. Dieter Lange und Andre Richter aus Löbau bauen das Zelt für ihren Buggy auf. Der muss bei eventuellen Reparaturen im Trockenen stehen. „Das Auto haben wir selbst zusammengeschraubt“, verrät Andre Richter.

Nach seinen ölverschmierten Händen und den schwarzen Flecken auf seiner Arbeitskleidung zu urteilen, scheint das nicht allzu lange her zu sein. Die beiden sind so zeitig angereist, um sich noch einen guten Platz im Fahrerlager sichern. „In ein paar Stunden ist hier der Teufel los, da findest Du hier keinen freien Fleck mehr.“ Ein paar Meter weiter stehen einge Trabis auf der Wiese. Fast sehen sie aus wie richtige Rennautos: Startnummern auf den Türen und Reklame auf der Motorhaube. Sie starten beim Trabant-Cross-Cup.

Die „Rennpappen“ sind kaum langsamer unterwegs, als ihre großen Brüder. Durchschnittsgeschwindigkeiten von 60 km/h würden erreicht, sagt Stromhardt Kraft, einer der Cross-Cup-Organisatoren. Und das alles mit original Trabi-Teilen. Natürlich habe man am Motor ein wenig gebastelt. Der bringt jetzt 40 PS, sagt Kraft.

Nummer „1“ bringt nicht immer Glück

Nebenan schrauben zwei ölverschmierte Männer an einem Ford Eskort. Den haben sie sich erst vor kurzem gekauft und schon sehr viel Zeit ins Auto gesteckt. Mit diesem Gefährt soll es nun das erste Rennen werden. Allerdings steht das schon unter einem schlechten Omen. Mit der Startnummer eins, die sie heute bekommen haben, wurde das Vorgängerauto zu Schrott gefahren. Warum sie damals nicht einfach aufgehört haben? „Wahrscheinlich sind wir doch irgendwie verrückt.“