Von Ulrike Körber
Wenn Apothekerin Evelyn Guthmann die Brauen hochzieht und so etwas wie Wohlwollen ihre Nasenflügel umspielt, dann ist klar: Der Duft ist zwar nicht perfekt, aber auch nicht schlecht. Einen Augenblick geht sie in sich, dann greift sie lächelnd zu einem Fläschchen auf dem Tisch und mildert, was zu viel war in dem Spiel der Düfte. Dabei weiß die Apothekerin, dass sie nicht die Nase von Meißen ist und die Schüler bei ihrem ersten Parfüm-Misch-Seminar auf der Hospitalstraße keine Mitarbeiter bei Chanel werden wollen. Es ist auch nicht die Perfektion, die sie mit ihren Kursteilnehmern anstrebt, sondern das Spiel mit den Aromen. Seit der Film „Das Parfum“ in den Kinos läuft, interessieren sich viele dafür. Allerorts wird über ihn geredet. Auch die Parfümeur-Eleven, die sich am Herbstabend bei Evelyn Guthmann zum Kurs einfinden, kommen schnell auf den Film zu sprechen.
Duftparadies ist ein Labor
Doch in dem eher nüchternen Raum auf der Hospitalstraße sieht es anders als in der Filmkulisse aus, wo der Held, Jean-Baptiste Grenouille, nach dem perfekten Parfüm sucht und es schließlich findet, indem er 24 Jungfrauen ermordet um ihren Duft einzufangen.
„Tatsächlich werden die Essenzen aus Pflanzenteilen gewonnen“, schildert die Apothekerin. „Die wenigen, die von Tieren stammen wie Amber oder Moschus, werden heutzutage nur noch nachempfunden“, klärt sie ihre Kursteilnehmer auf. Derart beruhigt sitzen die zehn Parfümschülerinnen – bis auf einen jungen Mann kommen zum Duftkurs nur Damen – erwartungsfroh vor ihren Fläschchen und warten auf die Anleitung zum Tröpfeln, Rühren und Schütteln.
36 Fläschchen stehen bereit, dazu Pipetten und Papierstreifen. Einem Chemielabor gleicht das Arrangement. Nur der gurgelnde Zimmerbrunnen mildert das Nüchterne. Spätestens als Evelyn Guthmann die Fläschchen öffnen lässt, damit die Frauen riechen können, ist der Laborcharakter passé. Durch den Orient, Wälder und Blütenmeere riechen sich die Kursteilnehmer, entdecken die Welt per Nase.
Dieses Erlebnis hatte Evelyn Guthmann im vergangenen Jahr selbst, als sie in der Provence war und auch einen Duft-Abstecher in die Hauptstadt des Parfüms nach Grasse machte. „Damals schon entstand die Idee zu diesem Seminar in Meißen. Es hat nichts mit dem Kinofilm zu tun, allerdings passt es sehr gut, dass der gerade läuft“, sagt die Apothekerin.
Düfte müssen sich entfalten
Während des Geruchstests erzählt sie, dass es 3 000 Jahre vor Christus in Ägypten und Mesopotamien schon eine Duftkultur gab und davon, dass in einem Tropfen Rosenöl die Essenz von 30 Blüten enthalten ist. Das erstaunt Ina Klose, die es sichtlich genießt, sich durch die 36 Düfte zu schnuppern. Das Natürliche reizt die Meißnerin. Sogar beim Wäschespülen verwende sie ätherische Öle. Von synthetischen Düften und Aromen hält Ina Klose nichts. Ob synthetisch oder nicht – das Kombinieren, Herr zu sein über die Wirkung eines Duftes, reizt den 27-jährigen Ronny Kallmaier. Er hat schon herausgefunden, dass ihm die hölzernen Düfte, die eine Basisnote des Parfüms sind, nicht liegen. „Man muss seine eigene Melodie finden“, sagt er.
Ob Ronny Kallmaier sie im Kurs gefunden hat, weiß nur er, denn die eigene Kreation, die er sich zusammengetröpfelt hat, entfaltet wie mit Zauberhand oft erst nach Tagen ihr eigentliches Flair.