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Die Ostsachsen zieht es nach Österreich

Wirtschaft. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber aus der Region haben Europa fest im Blick.

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Von Varinia Bernau

Für Monika Grzywaczewska ist Europa längst Alltag geworden: Seit Mai vergangenen Jahres arbeitet die junge Frau aus Zgorzelec als Konferenzdolmetscherin in Brüssel, übersetzt in Arbeitsgruppen und bei EU-Gipfeln. „Nach Brüssel zu gehen, war für mich als Berufsanfängerin eine große Chance. Der thematische Umfang ist sehr breit und ich habe die Möglichkeit, weitere Sprachen zu lernen“, sagt sie.

Fragen rund um den Arbeitsmarkt locken die meisten Menschen an die Informationsstände, die zurzeit im Osten Deutschlands auf- und abgebaut werden, um das Feuer für Europa neu zu entfachen. Aktion Europa heißt die Kampagne, die am Freitag auch in Görlitz Station macht.

249 Ostsachsen hat die Agentur für Arbeit Bautzen im vergangenen Jahr ins europäische Ausland vermittelt – die meisten nach Österreich und in die Schweiz. „Das liegt einerseits daran, dass die Arbeit ohne zusätzliche Sprachkenntnisse aufgenommen werden kann. Zum anderen werden dort derzeit Fachkräfte gesucht“, sagt Agentursprecherin Gritt Borrmann-Arndt. Die besten Chancen haben Elektriker, Maurer und Schweißer. Aber auch Krankenschwestern oder Hotel- und Restaurantfachkräfte werden gesucht.

Interessenten hinterlegen beim Europaservice der Arbeitsagentur ihr Profil und werden bei passenden Angeboten benachrichtigt. Vor allem ausländische Firmen schreiben Stellen über den Europaservice aus, um deutsche Fachkräfte zu finden. „Vereinzelt gehen aber auch sächsische Firmen diesen Weg“, sagt Borrmann-Arndt.

Die Zusammenarbeit zwischen mittelständischen Unternehmen dies- und jenseits der Neiße habe deutlich zugenommen, so die Beobachtung von Zygmunt Waroch vom Kontaktzentrum für Sächsisch-Polnische Wirtschaftskooperation bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Görlitz. „Vielen ist bewusst, dass sie besser auf dem Markt agieren können, wenn sie grenzübergreifend zusammenarbeiten.“ Die räumliche Nähe schaffe das Vertrauen, das für langfristige Kooperationen nötig sei.

Dass vor allem junge Menschen in die weite Welt hinausziehen, könne letztlich auch der Region zugutekommen, zeigt sich IHK-Chef Christian Puppe überzeugt. „Eine Fachkräfteentwicklung auf Halde ist nicht möglich. Es ist gut, wenn junge Menschen mobil sind, sich beruflich weiterentwickeln und mit Know-how zurückkommen“, sagt er und verweist auf das Internetportal www.sachsekommzurueck.de, mit dem seit Beginn 2003 mehr als 100 Stellen mit einst ausgeschwärmten Sachsen besetzt werden konnten. Wirtschaftliches Wachstum in der Region sei jedoch der beste Lockruf.

Privates spielt auch eine Rolle

„Ich kann mir kaum vorstellen, nach Zgorzelec oder überhaupt nach Polen zurückzugehen“, sagt hingegen Monika Grzywaczewska. Nicht nur, weil sich wahrscheinlich keine interessante und gut bezahlte Stelle in ihrer alten Heimat fände. „Mein Freund ist Deutscher und spricht kaum Polnisch.“ Von ihren Studienfreunden kennt sie ähnliche Geschichten: „Viele wollten nach dem Studium ins Ausland, haben sich dort verliebt und sind geblieben.“