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„Die Politik lässt uns allein“

Bürgermeister Thomas Polpitz ist ratlos: In der kleinen Gemeinde sind die Flutschäden immens. Für den Wiederaufbauist kein Geld in Sicht.

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Von Madeleine Siegl-Mickisch

Im Vereinsraum der Oberguriger Turnhalle hängen noch ein paar bunte Girlanden, während sich draußen der Sperrmüll türmt. Am Sonnabend hat hier eine Familie Schuleingang gefeiert, jetzt ist weder dieser Raum noch die Küche oder die Halle nutzbar. Thomas Polpitz (Unabhängige Bürgerbewegung) steht ratlos davor. Der Bürgermeister weiß nicht, wo er anfangen soll. Sonnabend war er mit seinen Feuerwehrkameraden im Einsatz, um Menschen zu retten, Sonntag haben sie mit vielen Helfern den schlimmsten Dreck beseitigt. Seit Montag ist er mit seinen Mitarbeitern dabei, die Schäden in Augenschein zu nehmen und Prioritäten für deren Beseitigung festzulegen. Aber wo anfangen? Neben der Turnhalle hat es auch die benachbarte Wassermühle schwer erwischt. Die Gaststätte im Erdgeschoss wurde komplett geflutet.

Im Kindergarten, vor dem ebenfalls Sperrmüllhaufen liegen, war zum Glück „nur“ der Keller voll gelaufen. Viel schlimmer sieht es dagegen im Ortsteil Singwitz aus: Die alte Industriestraße existiert praktisch nicht mehr. Kurz vor der dortigen Mühle ist sie metertief eingebrochen, die Gasleitung liegt frei, auch die Brücke dahinter ist kaputt.

Wie er diese und alle anderen Reparaturen bezahlen soll, weiß Polpitz nicht. Aussicht auf Ersatz von der Versicherung gibt es nicht. Den anderen Spree-Anliegergemeinden im Oberland gehe es genauso, weiß Polpitz von seinen Amtskollegen. Und vom Staat gibt es bisher keine Hilfe, sagt er enttäuscht.

Versicherung reagiert nicht

Genauso im Stich gelassen fühlen sich privat Betroffene. Nelson Pena klaubt auf dem Hof der Singwitzer Mühle ein paar Dokumente zusammen. Der gebürtige Kubaner wohnt seit 33Jahren hier, ist aber erst vor vier Wochen von oben ins Erdgeschoss gezogen, weil seine Frau schlecht laufen kann. Sie haben alles verloren, mussten sich Sachen aus der Kleiderkammer holen. Den Feuerwehrleuten und Nachbarn, die geholfen haben und immer noch helfen, sind sie unendlich dankbar. Doch die Hausratversicherung hat auch vier Tage nach der Katastrophe noch nicht reagiert.

Auch Familie Rämsch weiß nicht, wo sie anfangen soll. Ihr erst vor drei Jahren eröffnetes Café „Kuchenhäus’l“, daneben die Bäckerei, die Werkstatt – alles stand unter Wasser. An die 50Helfer schaufelten und schrubbten am Sonntag bei ihnen. Doch finanzielle Hilfe ist nicht in Sicht. Versicherungsschutz gegen Hochwasser gibt es wegen der nahen Spree nicht. Und über die vom Freistaat angekündigten zinsgünstigen Kredite kann Heike Rämsch nur bitter lachen. „Ich hab’ ja noch genug Kredit laufen.“

Polpitz würde ihr und anderen gern Hoffnung auf Hilfe machen, doch bisher weiß er selbst nicht, woher sie kommen soll. Obergurig fühlt sich von der Außenwelt abgeschnitten – nicht nur, weil nach wie vor die meisten Telefonanschlüsse tot sind.