Von Ines Scholze-Luft
Christa St. ist ein optimistischer Mensch. Kein Jammern, kein Klagen. Keine wehleidige Miene. Dabei hätte sie Grund dazu. Mehr als das halbe Leben lang schlägt sie sich mit Hüftproblemen herum.
1969 hat sie ihre erste Operation. Eine sogenannte Hüftkopfresektion. Zwölf Jahre später werden auf beiden Seiten neue Gelenke eingesetzt. Anfangs habe sie noch halbtags arbeiten können, erzählt die resolute 80-Jährige. Bis ihr die Krankheit immer mehr zu schaffen macht. Zweimal müssen die künstlichen Gelenke entfernt werden. Auch nach dem letzten Mal erhält sie einen Ersatz. Der bleibt jedoch auf der rechten Seite nicht von Dauer. Keime machen den Erfolg des Eingriffs zunichte. Das Gelenk kommt im Herbst 2013 wieder raus. Seitdem ist Christa St. auf den Rollstuhl angewiesen. Kann nur noch sehr mühsam ganz wenige Schritte an Stöcken gehen. Zumal das rechte Bein nun ein weiteres Stück kürzer ist als das linke, jetzt zehn Zentimeter. Vor der letzten OP habe sie noch Halt gehabt und sei bewegungsfähig gewesen, sagt die Radebeulerin. Jetzt aber fehlt die Muskelkraft, regeneriert sich nichts mehr.
An den Rollstuhl hat sie sich gewöhnt. Dank der Unterstützung durch die Familie. Vor allem durch ihren Mann. Der 86-Jährige kümmert sich intensiv um sie. Und noch ein Vorteil erleichtert das Leben: Die Mietwohnung, in der das Paar seit 2000 in Radebeul-Ost lebt, liegt im Erdgeschoss und ist barrierefrei. So gelangt Christa St. sogar auf die kleine Terrasse vor dem Wohnzimmer. Und auf den Weg vor der Haustür. Immer mit tatkräftiger Hilfe ihres Mannes.
Doch auf die Straße kommt sie nicht. Das Hausgrundstück liegt drei Stufen höher als die Straße. Beim Nachbargrundstück sieht es besser aus. Da geht es nur über eineinhalb Stufen hinunter. Die sind über einen Weg hinter dem Haus zu erreichen. Einst gehörten beide Häuser einem Besitzer. Jetzt haben sie unterschiedliche Eigentümer. Was die Idee der Familie St. anfangs schwer realisierbar erscheinen lässt. Christa und Johannes St. wollen nämlich eine Rampe. Die würde sich wegen des geringeren Höhenunterschiedes am Nebenhaus eher umsetzen lassen. Auch ist dort mehr Platz für eine Rollstuhlauffahrt.
Große Freude: Der Nachbarhaus-Besitzer genehmigt den Rampenbau. Ein Kostenvoranschlag ergibt rund 1 750 Euro. Da die Familie in der SZ einen Beitrag über die Leistungen der Pflegekasse gelesen hat, beantragt sie dort einen Zuschuss.
Die Pflegekasse bei der AOK schickt eine Mitarbeiterin zum Begutachten. Doch der Antrag wird abgelehnt. Weil nicht das individuelle Wohnumfeld betroffen ist. Weil es sich um das Nachbargrundstück handelt. Weil Christa St. auch danach nicht allein unterwegs sein kann. Und auch die Grundpflege nicht erleichtert wird.
Die Familie ist da anderer Ansicht. Zumal ein Grund fürs Bewilligen wäre: Wenn die häusliche Pflege erheblich erleichtert und eine Überforderung von Pflegebedürftigem und Pflegekraft verhindert wird. Das würde die Rampe aber auf jeden Fall bringen. Damit entfällt das äußerst wacklige Aus- und Einsteigen beim Rollstuhl. Und das Herumwuchten des Stuhls durch den Helfer. Nicht zuletzt genehmigt die AOK erst dann eine elektrische Schiebehilfe für den Rollstuhl, wenn die Schräge da ist.
Die AOK beschäftigt sich mit dem Fall, sagt Pressesprecherin Hannelore Strobel. Bereits nach dem Leserbrief zum Thema in der SZ habe sich die Fachberaterin den Vorgang angesehen. Mit dem Ergebnis: Alles sei korrekt bearbeitet worden. Außerdem handelt es sich der Pressesprecherin zufolge um einen Eingriff in den öffentlichen Verkehr, da die Schräge auf der Straße ende. Familie St. erklärt dagegen, die Rampe betrifft nur das Hausgrundstück.
Die Anfrage der SZ zum abgelehnten Zuschuss bringt nun den Stein wieder ins Rollen. Wie die Pressesprecherin weiter mitteilt, wird sich die zuständige Pflegeberaterin mit der Stadt in Verbindung setzen. Wegen eines Vor-Ort-Termins mit allen Beteiligten. Die AOK will dann erneut prüfen, ob es einen Kostenzuschuss geben kann.