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Die Retterin der Tomate

Birgit Kempe kann sich nur schwer entscheiden: die kleine Knackige, die große Schnittfeste oder doch lieber die rot-gelb-grün Gestreifte. „Ich mag sie alle. Und das ist mein Problem“, sagt die 47-Jährige.

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Von Tobias Winzer

Birgit Kempe kann sich nur schwer entscheiden: die kleine Knackige, die große Schnittfeste oder doch lieber die rot-gelb-grün Gestreifte. „Ich mag sie alle. Und das ist mein Problem“, sagt die 47-Jährige. Als ihr eigener Garten für die vielen Tomatenpflanzen zu klein wurde, mietete sie erst ein und dann zwei Gewächshäuser in Pirna an. Nun startet die Dresdnerin in ihre dritte Saison als selbstständige Expertin für die saftigen Halbschattengewächse. Fast 400 unterschiedliche Tomatensorten hat sie derzeit im Bestand.

Wenn sie klein sind, sehen Tomatenpflanzen alle gleich aus. Birgit Kempe beschriftet die Töpfe deswegen mit Schildchen. Foto, Repros: Sven Ellger (3)
Wenn sie klein sind, sehen Tomatenpflanzen alle gleich aus. Birgit Kempe beschriftet die Töpfe deswegen mit Schildchen. Foto, Repros: Sven Ellger (3)

Der lange Winter hat den noch kleinen Pflanzen nichts anhaben können. Geschützt von den Plastikplanen im Gewächshaus, wuchsen sie in den vergangenen vier Wochen auf Zentimetergröße heran. Aus den kleinen Sprösslingen werden bis zur Ernte im Juli ausgewachsene Pflanzen. „Tomaten lieben es warm und trocken“, sagt Birgit Kempe. „Am besten ist es, wenn sie geschützt unter einem Dach stehen. Luftig sollte es aber trotzdem sein.“

Erste Pflanzen in vier Wochen

Die ersten Pflanzen wird die gelernte Uhrmacherin, die später zur Gärtnerin umschulte, in etwa vier Wochen auf Märkten verkaufen. Dann sind sie etwa kniehoch. Einen anderen Teil zieht sie selbst groß. Die Tomaten, die auf so schöne Namen wie „Big Zebra“, „Weißes Ochsenherz“ oder „Yellow Pepper“ hören, bietet sie dann bei Verkostungen im Sommer an. Viele, die sonst nur Fleisch- oder Strauchtomaten kennen, sind so begeistert, dass sie gleich einen Strauch bei Birgit Kempe ordern – ein Geschäft, von dem sie zusammen mit kleineren Auftragsarbeiten in Gärtnereien leben kann. „Aber reich werde ich davon nicht“, sagt sie.

Ihre Leidenschaft für das Gemüse wurde Anfang der 90er-Jahre mit den ersten bunten Gartenzeitschriften geweckt. Dort sah sie Tomatensorten, von denen sie noch nie gehört hatte. Sie bekam Kontakt zum Deutschen Samenarchiv und wurde so zu einer Retterin alter Tomatensorten: Sie verwendet das Saatgut, um Tomaten zu pflanzen und neue Samen zu gewinnen. Ein Teil geht zurück ans Archiv, ein Teil bleibt bei ihr für den privaten Gebrauch und für das Geschäft. „Ich möchte möglichst viele Sorten erhalten“, sagt Birgit Kempe.

Auch nach 20 Jahren ist sie noch immer fasziniert von den unterschiedlichen Formen, Farben und Geschmäckern der Tomate. „Bei den kleinen Dattelkirschtomaten muss ich aufpassen, dass die Kunden auch noch etwas abbekommen. Die essen sich so einfach weg.“ Sie schwärmt aber auch von den großen Ochsenherzen, die sich besonders gut zum Salat eignen, oder der Brattomate, die man wie ein Schnitzel in der Pfanne bräunen kann.

Im Herbst und Winter, wenn die Zeit der erntefrischen Tomaten vorbei ist, freut sie sich über ein Glas Tomatensaft oder Nudeln mit selbst gemachter Tomatensoße. Nur einmal in all den Jahren ist Birgit Kempe schwach geworden und hat sich im Supermarkt vermeintlich frischen Nachschub besorgt. Der Geschmack war enttäuschend für sie. „Das war wie Wasser und irgendjemand hat ein Gestell drumherum gebastelt, das wie eine Tomate aussieht“, sagt sie. Seitdem legt sie von Januar bis Juli lieber eine freiwillige Tomatenpause ein. „Das tut auch mal ganz gut.“

In Zukunft will sie noch weitere vermeintlich unbekannte Sorten in ihr Sortiment aufnehmen. Mittlerweile bekommt sie Listen anderer Sammler zugeschickt, mit denen sie Samen gegen Samen tauscht. „Weltweit soll es 10 000 Sorten geben“, sagt Birgit Kempe. „Da habe ich noch viel zu tun.“

Alle Termine zum Verkauf und zu den Verkostungen gibt es im Internet unter www.birgit-kempe-tomaten.de