SZ +
Merken

Die Ruhe nach dem Knall

In der Königsbrücker Heide liegt tonnenweise Munition. Stück für Stück wird sie geborgen. Und manchmal gesprengt.

Teilen
Folgen

Von Annett Kschieschan

Wer Ruhe, Idylle und Frieden sucht, ist im Naturschutzgebiet „Königsbrücker Heide“ richtig. Und falsch. Die Idylle ist sichtbar. Über 10 000 Tier- und Pflanzenarten gedeihen hier in Stille und Abgeschiedenheit. Die tödliche Gefahr ist unsichtbar. Tonnenweise liegt Munition im Boden. Minen, Granaten, Handwaffenmunition – die Heide ist voll davon. Deswegen ist es streng verboten, die freigegebenen Wege in dem jahrzehntelangen militärischen Sperrgebiet zu verlassen. Für viele der Älteren in der Region ist die Heide umgangssprachlich ohnehin immer noch der „Truppenübungsplatz“. Bis Anfang der 90er-Jahre war sie das auch tatsächlich. Jetzt holt sich die Natur die Landschaft zurück. Seit 1992 besteht das Naturschutzgebiet „Königsbrücker Heide“. Und genauso lange ist die Gefahr im Boden Thema. „Die Beräumung der Munition begleitet uns hier von Anfang an“, sagt Cornelia Schlegel, Pressesprecherin der Schutzgebietsverwaltung. Meist geschieht sie freilich nahezu im Verborgenen, ganz selten nur mit einem lauten Knall. Jetzt war es aber wieder einmal so. In der Heide wurden zwei 50-Kilo-Bomben, ein knappes Dutzend Granaten und ein Panzerabwehrlenkgeschoss gesprengt. Fachleute hatten nach der Bergung der Munition festgestellt, dass ein Transport zu gefährlich gewesen wäre. Normalerweise werden Granaten und Co. nämlich ins 50 Kilometer entfernte Zeithain gebracht – zur sogenannten Kampfmittelzerlegeeinrichtung. Dieses Prozedere ist für die Mitarbeiter der NSG-Verwaltung Alltag. Eine Sprengung wie diese nicht unbedingt. Ein- bis zweimal im Jahr komme es vor, dass die geborgene Munition nicht transportfähig ist, sagt Cornelia Schlegel. Dann gilt im Schutzgebiet: Doppelt gesichert, hält besser. Obwohl das Gebiet ohnehin für Unbefugte gesperrt ist, werden zusätzlich Streckenposten aufgestellt. Sie sollen verhindern, dass jemand zu Schaden kommt.

Thomas Lange, Chef des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, klärt die Lage vor Ort.
Thomas Lange, Chef des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, klärt die Lage vor Ort.
Das Medieninteresse war groß. Fotografen und Kamerateams hielten die Sprengung im Bild fest.Fotos: Matthias Schumann
Das Medieninteresse war groß. Fotografen und Kamerateams hielten die Sprengung im Bild fest.Fotos: Matthias Schumann
Verrostet, aber nicht minder gefährlich, ist die Munition, die in der Heide geborgen wird.
Verrostet, aber nicht minder gefährlich, ist die Munition, die in der Heide geborgen wird.

Ganz von ungefähr kommt die Befürchtung nicht. Vor allem in der Pilzsaison ignorieren Sammler ab und an die Verbotsschilder. Manche wiegen sich in trügerischer Sicherheit, weil bislang noch nie etwas passiert ist. Das ist vor allem auch Glück, weiß man bei der NSG-Verwaltung. „1993 hatten wir hier noch zu 80 Prozent Offenland. Da hatte man zumindest die Chance, Munition zu sehen, bevor man drauftritt“, weiß Cornelia Schlegel. Das sei heute, wo das Areal stark bewachsen ist, kaum mehr möglich. Die Mitarbeiter des Schutzgebietes werden selbst regelmäßig vom Kampfmittelbeseitigungsdienst geschult. Sie wissen daher genau, was eine Mine, was eine Granate anrichten kann. Ein mulmiges Gefühl bleibt. Es wird noch lange bleiben, denn das Munitionsreservoire in der Königsbrücker Heide ist riesig. Allein 2012 wurden über 2 200 Stück Munition hier geborgen. In den fünf Jahren zuvor waren es rund 33 700 Stück mit einem Gesamtgewicht von knapp 138 Tonnen.

Nach dem jetzigen Knall kehrt aber erst einmal die Ruhe zurück in der Königsbrücker Heide. Vorerst.