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Die Ruhigs und ihre Sonnenuhr

Die Rammenauer Familie hat auf dem Zeitmesser am Haus Wichtiges aus ihrem Leben festgehalten. Eine Rarität.

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© Steffen Unger

Von Constanze Knappe

Rammenau. Sie sind Oberlausitz-Fans durch und durch. An die Wand ihres Schuppens auf der Johann-Gottlieb-Fichte-Straße 19 in Rammenau haben Claus und Erika Ruhig ein Bild der Region malen lassen. Dabei ist ihr Schuppen nicht bloß irgendeine Laube. Handwerker halfen, Abrissbalken des einstigen Erbgerichts zu bearbeiten. Daraus entstand ein Umgebindehaus. Das Bild an der Wand zeigt die Handwerkerstraße durch die Oberlausitz. „Leider ist die Sicht von der Straße inzwischen zugewachsen. Seit zwei große Bäume im Garten gefällt werden mussten, kann man das Bild aber wieder besser sehen“, erzählt Claus Ruhig. Zwar liegt Rammenau am Rande, ihrer Liebe zur Oberlausitz. Das tue aber keinen Abbruch, sagt das Ehepaar.

Die Sonnenuhr am Haus der Familie Ruhig verrät die Berufe. Erika Ruhig arbeitete bei der Sparkasse, ihr Mann Claus führte eine Elektrofirma.
Die Sonnenuhr am Haus der Familie Ruhig verrät die Berufe. Erika Ruhig arbeitete bei der Sparkasse, ihr Mann Claus führte eine Elektrofirma. © Steffen Unger

Zur Eröffnung des Informationszentrums „Handwerk erleben“ 2004 im Barockschloss kam Claus Ruhig auf die Idee, die Wand seines Schuppens nicht bloß zu verputzen. Der Geißmannsdorfer Maler Uwe Gloge-Häntschel brachte eine Karte der Handwerkerstraße mit den für die jeweiligen Orte typischen Motiven an die Wand. Claus Ruhig ist dem Handwerk aber nicht nur als Fan der Oberlausitz verbunden. Seine Familie kam 1950 nach Rammenau. Vater Gerhard übernahm die Dorfschmiede. Ein paar Jahre arbeitete Claus Ruhig in der Schmiede mit, wurde aber Elektroinstallateur. Als selbstständiger Elektromeister führte er bis 1999 seinen eigenen Betrieb. „Die Idee wäre schon gewesen, dass der Sohn den Betrieb weiterführt“, sagt der jetzt 82-Jährige. Dass es anders kam, sieht er gelassen. Zwar trat Sohn Udo Ruhig (57) nicht in die väterlichen Fußstapfen, Handwerker mit Leib und Seele ist er dennoch. Mit zwölf Jahren stand er das erste Mal in der Backstube seines Onkels, danach in jeden Ferien. Er wurde Bäcker. „Aus heutiger Sicht alles richtig gemacht“, ist man sich in der Familie einig. Jeden Morgen steht Bäckermeister Udo Ruhig um 1 Uhr auf, als Belastung empfindet er das aber nicht. „Dafür bin ich 10 Uhr zu Hause und habe den ganzen Tag noch vor mir“, sagt er. Zeit für das Grundstück, denn dort gibt es immer etwas zu tun. Ideen haben Vater und Sohn ohne Ende. Alles selber zu bauen, das sei ihr gemeinsames Hobby. „Um fit zu bleiben, muss man sich körperlich und geistig bewegen“, so Claus Ruhig.

Beim Herrichten der Einfahrt fanden sie viele Tonscherben. Wie sich herausstellte, war auf dem Hof einst eine Töpferei. Zwischen Einfahrt und Hinterhaus sei noch der Brennofen erkennbar gewesen, dessen Einschübe zugemauert waren. Dass sie darüber nicht mehr in Erfahrung bringen konnten, bedauern die beiden Ruhig-Männer. Damit die Historie nicht ganz in Vergessenheit gerät, steht auf einem mit Efeu umwachsenen Stamm im Vorgarten ein 60 Zentimeter hoher Tonkrug aus der Töpferei Thunig in Schmölln.

Schon immer für Astronomie interessiert

Heimatverbunden ist die Familie noch auf andere Weise. An die Stirnseite des Schuppens malte Uwe Gloge-Häntschel ein Bild von Rammenau. Dass es nicht ganz der Realität entspricht, sei künstlerische Freiheit, findet Claus Ruhig schmunzelnd. An der Wand des Wohnhauses hängt seit 2008 eine Sonnenuhr. Die hat er, wie weitere Exemplare für Freunde und Bekannte, selbst berechnet. Schon immer habe er sich mit Sonnenuhren und Astronomie befasst, erzählt er. Fachlichen Rat habe er sich in der Sternwarte Sohland geholt. Mit einem Ausspruch von Johann Gottlieb Fichte hat die Sonnenuhr Bezug zu Rammenau. Auf die Uhrzeit verlassen sollte man sich aber besser nicht. Bedingt durch Schwankungen der Erdkugel geht sie nur an vier Tagen im Jahr genau, weicht an anderen Tagen bis zu 16 Minuten ab. „Große Sonnenuhren wie die am Rathaus in Bautzen haben Abweichungslinien“, sagt Claus Ruhig. Seine Sonnenuhr sei zur Hälfte Zeitmesser, und mache zur anderen Hälfte optisch etwas her, findet er.

An der Giebelseite des Wohnhauses sind die Berufe der Familie verewigt. Ein Motor als Sinnbild für den Elektrobetrieb und ein Sparkassenbuch. Lange Jahre leitete Erika Ruhig, die inzwischen 80 ist, die Sparkassenfiliale in Rammenau.

Pläne fürs nächste Jahr

Im Garten steht mit dem 1965 gepflanzten Mammutbaum eine Rarität. Dergleichen gibt es nicht allzu viele, etwa im Wörlitzer Park. Goldfische tummeln sich im kleinen Teich, der von einem Brunnen gespeist wird. Auf dem Brunnen wurde ein schmiedeeisernes Gitter mit vergoldeter Krone aufgesetzt. Und ein Froschkönig.

Die Pflanzen sind im Hause Ruhig Sache der Frauen – von Erika Ruhig und Schwiegertochter Janette (51). Mit ihren vielen Hortensien nahm die Familie am Dorfwettbewerb teil. Während die Frauen den Garten winterfest machen, Mandelbäumchen und andere empfindliche Pflanzen vor dem Frost schützen, haben die Männer erste Pläne, was sie im nächsten Jahr anpacken möchten. Gern würde Udo Ruhig aus der Fassade des Wohnhauses das Fachwerk wieder herausholen und Fensterläden anbringen. Das sei aber eine Aufgabe nicht nur für einen Sommer. Sein Vater ist da ein bisschen skeptisch. Man wisse ja nicht, wie die Balken aussehen. Froh sind Claus Ruhig und seine Frau Erika, dass die drei Kinder, sechs Enkel und neun Urenkel in Rammenau leben.

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