Von Iris Schmidt
Musik und das Kreischen der Karussells, der Duft von Zuckerwatte und der Spaß der Leute — das ist die Welt von Rica Großmann. Die junge Frau steht als Prinzipalin einem Familienunternehmen vor, das fünf verschiedene Belustigungen auf Jahrmärkten betreibt. Nach der Jahrhundertflut sieht es für die alte Radeberger Familie nicht rosig aus.
Weil sich die Firma auf kleinere Plätze spezialisiert hat und vor allem in Pirna, Glashütte, Schmilka, Bad Schandau und in Richtung Kreischa unterwegs war, hat sie in diesem Jahr schwer mit dem Folgen der Jahrhundertflut zu kämpfen.
„Uns ist nichts weggeschwommen, aber das Geschäft in der Saison fast komplett weggebrochen“, so Rica Großmann, die Chefin auf dem Platz. Um überhaupt noch etwas zu tun zu haben — etwa sechs Wochen lang kamen nur Absagen von Veranstaltern — sagte sie sich: Selbst ist Frau. Rica Großmann ging auf die Stadtväter in Großröhrsdorf zu und bot Bürgermeister Klaus Eckert ein Herbstfest an. Der gab sofort grünes Licht für den Jahrmarkt.
Der Softeisstand, die Tombola, der Schießstand werden gerade aufgebaut, die große Welle, Big Wave, das modernste Fahrgeschäft, steht schon fast. Ein Kettenkarussell war seit etwa zehn Jahren nicht mehr hier, weiß Familie Schuder, die neben den Schmidts mit dem Autoscooter mit im Konvoi sind. Alle haben in diesem Jahr die gleichen finanziellen Probleme. Sie hoffen deshalb auch auf Kunden aus dem Rödertal. Denn das Altstadtfest in Radeberg wurde ebenfalls kurzfristig abgesagt. „Wir konnten am 17. August doch nicht feiern“, sagt Pressesprecher Jürgen Wähnert. Im Prinzip sind die Leute vom Rummel der gleichen Meinung, bereit, ein Risiko zu tragen. Aber in diesem Sommer kam es für sie ganz besonders dicke. Wieder das Beispiel Altstadtfest: Es gibt im Prinzip keine Sicherheiten per Vertrag, sondern nur Standgenehmigungen, so Jürgen Wähnert.
Auf dem Festplatz in Großröhrsdorf bauen die Leute vom Rummel alle Buden auf, schrauben und bohren an den Fahrgeschäften. Heute Mittag muss alles fertig sein. Dann duftet es an gleicher Stelle nach gebrannten Mandeln und kandierten Äpfeln. Es geht jeden Tag um 14 Uhr los. Die Schausteller haben ihre Wagen bis kommenden Montag hier aufgestellt. Freitag ist Familientag, da kostet jede Karussellfahrt nur die Hälfte. Am letzten Tag des Herbstfestes, dem Montag, werden 50 Cent pro Tour verlangt. Am morgigen 20. September steigt gegen 21 Uhr ein Feuerwerk in den Himmel.
Genau genommen ist eine Großfamilie hier zu Gast mit Schwager und Schwägerin, mit Kind und Kegel. Rica stammt aus einer alten Schaustellerfamilie. Mittlerweile zieht die fünfte Generation von Ort zu Ort. „In Radeberg bin ich zur Schule gegangen“, erinnert sie sich. Aber auch in Grimma und Leipzig, in Dresden und Schandau, in Heidenau und, und, und. Das „Schaustellerblut“ stammt aus der weiblichen Linie der Familie. Schon die Ur-Ur-Großmutter besaß ein großes Karussell, eins mit Schwan und Holzpferden, das damals Aufsehen erregte. Heute nützt Nostalgie dem bodenständigen Gewerbe nichts, es heißt jetzt: Nach vorn schauen. „Die alten Geschäfte sind schön, aber der reine Luxus“, sagt Rica Großmann. Im Klartext: Sie sind einfach zu teuer. Restaurierungen stehen an, der Aufbau ist zeitaufwendig und sie fressen viel Strom. Also fährt der Kunde auf der großen Welle und hat auch sein Vergnügen.