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Die Schule fürs Leben

Hugo Grüner wurde jetzt mit der Bürgermedaille der Gemeinde geehrt. Doch vorab musste er erst mal gebremst werden.

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Von Carina Brestrich

Gemütlich ist es, aber durchaus auch gewöhnungsbedürftig, das zweite Zuhause von Hugo Grüner: Matratzen aus Stroh, schwindelerregend schiefe Fußböden, und Deckenbalken, die so tief hängen, das Grüner gerade so drunter durch passt. Die Rede ist vom Schul- und Heimatmuseum in Ottenhain, das Grüner mit aufgebaut hat. Seit Kurzem ist das Haus wieder für Besucher geöffnet. Auch Kottmars Bürgermeister Michael Görke (parteilos) nutzte am Osterwochenende die Gelegenheit, sich von Hugo Grüner durchs Museum führen zu lassen. „Er war ganz interessiert“, erinnert sich der Rentner, „doch als wir ins Obergeschoss wollten, bremste er mich plötzlich.“ Denn im Gepäck hatte Görke eine Überraschung für Grüner: Die Bürgermedaille der Gemeinde Kottmar.

Hugo Grüner ist nach Brauerei-Chef Steffen Dittmar der zweite, der die Auszeichnung erhält, und dabei auch der erste Bürger aus Kottmar. „Er hat sich unglaublich für die Belange in Ottenhain engagiert, egal ob für das Museum, die Feuerwehr oder ganz allgemein“, begründet der Bürgermeister die Entscheidung, die der Gemeinderat im Vorfeld einstimmig gefällt hatte. Hugo Grüner kann sich zwar bis heute nicht erklären, wer ihn dafür vorgeschlagen hatte – „aber es ist natürlich für mich eine schöne Anerkennung“, sagt er.

Eine Anerkennung für das, was er gegen das Vergessen tut, wie er selbst sagt. Immerhin engagiert sich der heute 78-Jährige seit Mitte der 90er-Jahre für das Heimat- und Schulmuseum: Noch immer zeigt er regelmäßig Kindern und anderen Besuchern, was früher auf dem Lehrplan stand und wie ein Lehrer einst wohnte. Und noch immer stöbert er neue Exponate für die Ausstellung aus. „Mir macht das nach wie vor viel Freude. Und ich glaube, das schützt mich vorm Älterwerden“, sagt er.

Hugo Grüner kam 1945 mit seinen Eltern und der Schwester nach Ottenhain. Aus ihrem Heimatort Überdörfel (Opatovec) im heutigen Tschechien war die Familie vertrieben worden. Grüner war damals zehn Jahre alt. „Wir hatten nichts, wir waren arm, mussten uns unser Essen erbetteln“, erinnert er sich. Ablenkung verschaffte dagegen die Schule, die zu der Zeit schon nicht mehr im Gebäude des heutigen Schulmuseums war. Danach lernte Grüner im Spezialfahrzeugbau Löbau. Bis zu seinem Vorruhestand kurz nach der Wende arbeitete er dort, zuletzt als Hauptmechaniker. „Und als ich zu Hause war, brauchte ich eine sinnvolle Beschäftigung. Etwas, das mir Inhalt gibt“, sagt er.

Die gibt seither unter anderem auch die Ottenhainer Feuerwehr, in der Hugo Grüner nicht nur seit 60 Jahren Mitglied ist. Auch gründete er dort in den Neunzigern die Jugendfeuerwehrgruppe. Damals trafen sich die jungen Männer noch bei Hugo Grüner zu Hause, unweit vom Museum. „Durch meine Kontakte, die ich durch den Betrieb hatte, konnte ich nach und nach woanders aussortierte Gerätschaften ranschaffen. Die haben wir dann aufgearbeitet und weitergenutzt“, erinnert sich Grüner, der bis zum Wechsel im Jahr 2002 der wohl älteste Jugendfeuerwehrwart in der Region war. „Einmal Feuerwehr-verrückt ist eben immer Feuerwehr-verrückt“, kommentiert er lachend.

Doch Feuer und Flamme ist Grüner nach wie vor noch für seine vielen anderen Tätigkeiten. So kümmert er sich als Mitglied der Ottenhainer Natur- und Heimatfreunde mit um das jährliche Sensenfest und spielt Tischtennis in der Ottenhainer Sportgemeinschaft. Und er schaut im Ort genau hin: Für die Sanierung des Gedenksteins an der Lutherlinde hatte sich Hugo Grüner vor Jahren ebenso eingesetzt wie für den Neu-Anstrich der Kapelle auf dem Ottenhainer Friedhof. „Mir geht es darum, in einem kleinen Ort auch kleine Dinge zu machen, die für die Zukunft bleiben“, sagt der Ruheständler.

Dafür gebe es im Ort zum Glück aber auch viele andere engagierte Leute, betont Grüner. „Allein hab ich das alles auf jeden Fall nicht geschafft“, sagt er. Vielmals habe er nur den Anstoß gegeben, sagt er: „Ich bin manchmal etwas unbequem. Aber wenn es Erfolg hat, dann weiß ich, dass es gut so war.“