SZ +
Merken

Die Solidarnosc-Werft braucht Hilfe

Polen. Wo die Bewegung für mehr Rechte begann, haben die Arbeiter erneut Grund zum Klagen: Die Gewerkschaft muss den Lohn vorschießen.

Teilen
Folgen

Von Kathrin Schnurrer

Roman Galezewski sagt manche Sätze so, als sei er nicht Chef der Gewerkschaft Solidarnosc, sondern Arzt, der eine schwierige Operation zu erklären hat. Eine Operation, die notwendig ist, damit die Danziger Werft gesundet und nicht von der kränkelnden Gdingener Konzernmutter mit ins Verderben gezogen wird.

„Fällt die Gdingener Werft, fallen wir auch“, sagt Galezewski. „Deswegen müssen wir uns von Gdingen trennen.“ Es sei wie bei einem Tumor, den man entfernen müsse, ehe er auch gesunde Zellen anfalle, sagt der Solidarnosc-Mann, dessen Gewerkschaft an der Ostsee die Hälfte der rund 3 000 Danziger Werftarbeiter vertritt.

Die Solidarnosc-Leute der Danziger Werft brachten in den 1980er Jahren den Kommunismus ins Wanken. Werftdirektoren steuerten in den 1990er Jahren die Werft in die Pleite. 1996 musste die Danziger Werft Insolvenz anmelden, zwei Jahre später wurde sie von der Gdingener Werft AG übernommen. Nun hat die selbst wirtschaftliche Probleme: Langfristige Verträge und der gestiegene Stahlpreis führten dazu, dass Schiffe zu billig verkauft werden mussten. Hinzu kamen Verluste durch Währungsschwankungen und die Konkurrenz aus Asien. Mittlerweile soll die Gdingener Werft, Arbeitgeber von 5 000 Leuten, mit umgerechnet 252 Millionen Euro, verschuldet sein.

Auch die Danziger Werft wartet auf Geld aus Gdingen. Im vergangenen Jahr plünderte die Solidarnosc bereits ihre Streikkasse, um den Arbeitern Lohn vorzuschießen. „Es gab Zeiten, in denen die Arbeiter ein halbes Jahr kein Geld bekamen, weil Gdingen nicht bezahlt hat“, sagt Galezewski. Momentan schulde der Mutterkonzern der Danziger Werft rund zwölf Millionen Euro, unter anderem für zwei Schiffe, die die Danziger Werft im Auftrag der Gdingener gebaut hat.

Erneut Wahlkampfthema

Mikolaj Chrzan, Wirtschaftsreporter der Zeitung „Gazeta Wyborcza“, erzählt: „Seit ungefähr zwei Jahren fordern die Danziger Werftarbeiter, dass ihre Werft von der Gdingener abgespalten werden solle.“ Vergangenen Herbst nahmen sich Politiker der konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) der Klagen der Werftarbeiter an. Im Wahlkampf versprachen sie, dass sie die Danziger Werft von der Gdingener – deren größter Aktionär der Staat ist – trennen. Die PiS gewann sowohl die Präsidenten- als auch die Parlamentswahlen und hielt Wort.

An die Spitze der beiden Werften wurden neue Vorstände berufen: Ethnologe der eine, Anwalt der andere. „Beide ohne Erfahrung im Werftwesen“, kritisiert der Journalist Chrzan, „aber beide mit dem richtigen Parteibuch – dem der PiS.“ Bei den Arbeitern kommt das Engagement der Regierung jedoch an. „Bis jetzt hat noch keine Regierung so ernst an dem Problem gearbeitet“, lobt Jan Trzaska, Vizechef der Gewerkschaft Okretowiec.

Ende Mai lief die Ausschreibung für den Verkauf der Werft ab: Zwei Bietergruppen zeigen Interesse an der Werft, die bis zu sieben Schiffe jährlich produziert. Die staatliche Agentur für Industrieentwicklung und der staatliche Energieversorger Energa – beide sind Gläubiger der Gdingener Werft – gaben ein gemeinsames Angebot ab. Sie wollen mit dem Erwerb der Danziger Werft Forderungen eintreiben, die sie gegenüber der Gdingener Werft haben. Allein für die Stromversorgung steht die Gdingener Werft bei Energa mit fünf Millionen Euro im Soll.

Gebot von Gewerkschaften

Eine zweite Kaufofferte kommt von der Stocznia Gdanska Holding – einem Zusammenschluss von vier Gewerkschaften, die auf der Werft aktiv sind, und dem „Wirtschaftsbetrieb Danziger Werft“, einer Tochter der Danziger Werft. Die Gewerkschaften würden für den Kauf ihrer Werft einen Kredit aufnehmen. Noch in diesem Monat soll bekannt gegeben werden, wer neuer Eigentümer der Werft wird.

Marek Bronk, Vorsitzender der 260 Mitglieder starken Gewerkschaft Okretowiec, sieht die Sache nüchtern. „Die Trennung von Gdingen löst die Probleme nicht“, sagt Bronk. „Was wir langfristig brauchen, ist ein Investor. Jemanden aus der Branche, der Ahnung hat.“ Einer vom Typ Aker solle es sein, der die Werft modernisiert. Ihr Wert wird auf rund 23 Millionen Euro geschätzt. Aker besitzt die Werften in Rostock und Wismar. „Ein Investor wäre für uns ein Retter. Wir brauchen ihn wie das Blut zum Leben“, sagt Marek Bronk. „Wir sind härter als die anderen“, sagt Jan Trzaska. Er ist seit 38 Jahren auf der Werft. „Das ganze Leben hat mich die Werft ernährt“, sagt er. Sie solle es auch weiter tun.