Von Anja Beutler
Christian Zachmann will kürzertreten – politisch zumindest. Deshalb hat der 75-jährige Politiker der Linkspartei bereits voriges Jahr bekannt gegeben, dass er nach 21 Jahren als Ratsmitglied nicht mehr zur Wahl antreten wird. Jetzt, kurz vor den letzten zwei Sitzungen als Gemeinderat, zieht der Oderwitzer Bilanz und verspricht, nicht komplett zu verschwinden.
Herr Zachmann, wer Berichte über die Oderwitzer Politik der vergangenen Jahre liest, stößt oft auf Sätze wie: Christian Zachmann äußerte als einziger Bedenken. Sind Sie ein Nein-Sager?
Nein (lacht)! Und das betone ich ausdrücklich. Ich bin kein Nein-Sager. Aber mich hat oft die Stille und Gelassenheit im Gemeinderat so aufgeregt. Oft hatte niemand eine Frage oder eine Meinung zu den Themen. Ich persönlich kann zu bestimmten Dingen nicht einfach Ja sagen. Da sehe ich eben das ganze Bild. Aber ich bin immer dann, wenn es um soziale Belange oder um das Wohl der Gemeinde geht, kompromissbereit.
Aber Sie haben manchen schon mit ihren Detailfragen genervt und auch selbst zuletzt herbe Kritik einstecken müssen. Warum machen Sie das?
Ich will schon ein bisschen provozieren, etwas in die Gänge bringen. Als ich selbst noch berufstätig war, hatte ich auch nicht die Zeit, mich in alle Beschlussvorlagen vor der Sitzung so intensiv einzuarbeiten. Aber zuletzt hatte ich die Möglichkeit. Ich nehme es den jüngeren Räten, die hart arbeiten oder gar Unternehmer sind, auch nicht übel, dass sie nicht so in die Tiefe gehen können. Und ich habe schon gemerkt, dass bei manchen die Schotten runtergehen, wenn Zachmann wieder ins Detail geht und sie vielleicht nicht das Wissen haben. Ich hatte Zeit, mich weiterzubilden.
Kann es nicht auch sein, dass Jüngere eine andere Sicht auf die Dinge haben?
Das kann auch sein, ja. Aber mir geht es am Ende immer um Grundprobleme. Und ich sehe meine Aufgabe schon darin, immer wieder diese Fragen zu stellen: Können wir uns das leisten? Kann das der Gemeinde später auf die Füße fallen?
Für Problemfälle sind Sie ja der Experte – Stichwort Abwasserzweckverband Landwasser...
Ja, ich bin gewissermaßen zum Abwasser-Kritiker geworden. Ich war 1993 für eine Genossin in den Gemeinderat in Niederoderwitz nachgerückt. Das war die Zeit, als Oberoderwitz, Niederoderwitz, Eibau und Waldorf einen eigenen Abwasserzweckverband gegründet hatten. Man wollte ein Abwassersystem aufbauen und hatte sich dazu mit einem privaten Investor eingelassen. Dabei sind Entscheidungen getroffen worden, die uns allen im Nachgang auf die Füße gefallen sind. Aber damals konnten wir es nicht besser wissen – wir waren belogen und betrogen worden. In dieser Zeit hatte man mich gebeten, bei der Aufklärung mitzumachen.
Sie waren 1994 Mitbegründer der Bürgerinitiative Landwasser und versammelten auch die Klägergemeinschaft hinter sich, die wegen der Abwasserschulden geklagt hat. Würden Sie heute sagen, Sie waren erfolgreich?
Wir haben Teilerfolge erzielt. Unter anderem konnten wir verhindern, dass Oderwitzer Bürger Hunderttausende wegen der Abwasserschulden zahlen mussten. Und wir haben gezeigt, dass wir uns nicht alles gefallen lassen. Der jetzige Stand der Dinge befriedigt mich nicht – ausgestanden ist die Sache für die Gemeinde und den Verband bis heute nicht.
Was kommt da noch?
Nächstes Jahr läuft nach zehn Jahren die erste Stufe der Schuldentilgung durch die Sächsische Aufbaubank aus. Und dann stehen wir als Zweckverband Landwasser immer noch mit 15 Millionen Euro in der Kreide. 25 Millionen Euro waren es am Anfang. Wie soll das weitergehen? Vor allem, weil wir in den vergangenen Jahren nur Schulden getilgt haben und somit das Betriebskapital verbrannt und nichts für die Zukunft zurücklegen konnten! Das ist für mich bis heute unbegreiflich.
Wenn dieses Thema ansteht, sitzen Sie mit ihrem Hintergrundwissen aber nicht mehr im Rat. Schmerzt sie das?
Ich bin dann zwar kein Gemeinderat mehr, aber ich werde sicherlich auch künftig ab und zu als Gast an den Sitzungen teilnehmen. Ich bedauere bis heute, dass so viele Räte nach ihrem Ausscheiden sich gar nicht mehr haben sehen lassen – das gilt auch für die früheren Bürgermeister, Herrn Jautze und Herrn Schiffner.
Mal frech gefragt: Wenn Sie als steter Mahner im Rat wegfallen, wer wird dann diese Rolle übernehmen?
Das werden die neuen, jungen Kandidaten übernehmen. Ich möchte nicht als Veteran in der Kommunalpolitik die Fahne einrollen! Wir haben junge Menschen, neue Gesichter gefunden. Vergangenheit ist Vergangenheit – auch wenn Hintergrundwissen wie bei der Abwassersache wichtig ist. Aber, da müssen sie schwimmen lernen.
Wie wichtig sind für einen Gemeinderat Prinzipien?
Die sind wichtig. Mein Prinzip ist immer: Ja sage ich, wenn es gut für meine Gemeinde ist. Nein, wenn es meiner Gemeinde schaden könnte. Aber man muss auch immer pragmatisch und kompromissbereit bleiben. Meine Parteigenossen haben mich manchmal gefragt, warum ich da zugestimmt habe. Weil es die beste der möglichen Lösungen war.
Wie war es zum Beispiel bei der Turnhalle Niederoderwitz, deren Finanzierung die Gemeinde auch beinahe an den Abgrund getrieben hätte?
Ja. Auch wenn ich damit, wie das damals gelaufen ist, nicht einverstanden war, habe ich für die Lösung gestimmt – für die Sportler. Natürlich habe ich die Halle auch mit eingeweiht und das Glas Sekt getrunken. Man muss zu seinen Entscheidungen stehen, auch, wenn das nicht immer leicht ist.