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Die Strickomi vom Horizont

Ute Dittrich ist Schmerzpatientin. Und engagiert sich trotzdem ganz besonders für die Kinder einer Löbauer Wohnstätte.

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© Rafael Sampedro

Von Constanze Junghanss

Die Nadeln klappern. Unter den flinken Fingern entstehen gestrickte Unikate. So, wie kürzlich Wichtelpuppen mit Ranzen und Zuckertüten für zwei Abc-Schützen. Ute Dittrich schiebt sich die Brille über die Nase. Dahinter blitzen braune Augen. „Ich bin die Strickomi“, sagt sie und lächelt. Wobei ihr das Lächeln manchmal schwer fällt. Die 69-Jährige ist chronische Schmerzpatientin. Nur dank starker Medikamente können die Beschwerden an der Wirbelsäule, die seit einer Operation auftreten, gelindert werden.

Hängen lassen möchte sich Ute Dittrich jedoch nicht. Und deshalb ist sie Strickomi für die Kinder in der CJD-Wohnstätte „Horizont“ in Löbau geworden. Hier wohnen jetzt 24 Kinder, die aus den unterschiedlichsten Gründen derzeit nicht zu Hause von ihren Familien betreut werden können. Jeden Sonnabend geht die kleine Frau ins Kinderheim und gestaltet die Freizeit der Mädchen und Jungen mit. Ehrenamtlich versteht sich. Und zwei Gründe sind dafür entscheidend: „Einerseits freuen sich die Kinder sehr über das Angebot“, erzählt die ehemalige Geschäftsführerin eines Baubetriebes. Andererseits lassen die glücklichen Kindergesichter sie vergessen, wie schlecht es ihr manchmal selbst geht. Eine sinnvolle Aufgabe sei gefunden und Ute Dittrich ärgert sich ein bisschen, dass sie noch nicht eher auf diese Idee gekommen ist. Schmerzpatientin ist sie seit 1999. Das ihr so liebgewordene Ehrenamt übt sie seit dem vergangenen Jahr aus.

Mädchen lernen das Stricken

„Ausschlaggebend dafür war eigentlich meine Fußpflegerin Katrin Viete. Sie engagiert sich selbst schon sehr lange und intensiv für das Kinderheim“, erzählt die Löbauerin. Frau Viete habe gefragt, ob sie nicht einmal Lust hätte, zwei interessierten Mädchen in der Einrichtung das Stricken beizubringen. Die Kontakte wurden schnell geknüpft. „Meine ersten Gedanken am Anfang waren natürlich, ob mich die Kinder auch annehmen werden. Aber alle Bedenken waren umsonst“, schildert die Strickomi im Rückblick. Denn inzwischen ist die Gruppe der kleinen Stricker und Bastler auf sieben Teilnehmer gewachsen. Die warten schon auf „ihre“ Omi und winken aus dem Fenster, wenn sie kommt.

Nicht nur gestrickt wird am Wochenende. Sondern auch Patchwork und andere Handarbeiten, wie Artischockentechnik und Übungen mit der Häkelnadel stehen im Programm. Das interessiere nicht allein die Mädchen. „Einige Jungs machen mit oder schauen gerne am Basteltisch, was Neues entsteht“, sagt Frau Dittrich. Mittlerweile entstanden so seit dem vergangenen Jahr bereits 13 verschiedene Projektarbeiten. Mit denen wird das Kinderheim ebenso geschmückt, wie die Zimmer der jungen Bewohner. „Für uns ist Frau Dittrich eine Bereicherung bei den Freizeitangeboten“, sagt Heimleiter Lutz Kaden. Dass es Privatpersonen gibt, die sich engagieren, zeigt, es gebe ein positives öffentliches Interesse an der Einrichtung. Davon profitieren auch die Kinder, die in der Löbauer Wohnstätte betreut werden, betont der Heimleiter.

Ute Dittrich hat noch viele weitere Projekte im Kopf, die nach und nach umgesetzt werden sollen. Einige Anregungen holt sie sich dabei aus der Fachliteratur. Und auch während ihrer Aufenthalte in der Schmerzklinik Chemnitz. Dort gibt es „kreative Stunden“ für die Patienten. Daran nimmt die Löbauerin gerne teil und erzählt, dass selbst der Chefarzt der Klinik mittlerweile immer wieder nachfrage, wie denn die Projektangebote in der Wohnstätte laufen und wie es den Kinder geht.

Im Moment steht ein Mobile mit Pinguinen kurz vor der Fertigstellung. Und für die Geburtstage der Kinder klappern die Stricknadeln im heimischen Wohnzimmer. Ute Dittrich erfüllt Geburtstagswünsche. „Jedes Kind, das am Projekt teilnimmt, kann sich ein Lieblingstier aussuchen, das ich dann herstelle“, erzählt sie. Derzeit stehen vor allem Katzen hoch im Kurs. Ihr Mann Peter hat für diese besondere Beschäftigung seiner Frau volles Verständnis und unterstützt seine Gattin. Das mache er gern, wie Frau Dittrich sagt. „Denn er sieht, wie sehr mir selber diese Tätigkeit gut tut und mich von meinen Schmerzen ablenkt.“ Das möchte die rührige Seniorin anderen Menschen mit auf den Weg geben: Selbst, wenn man in Schwierigkeiten steckt, kann man anderen Menschen helfen. Denn das sei auch immer ein bisschen Balsam für die eigene Seele.