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Die Stunde der Erbsenzähler

Ein neues Gesetz soll Korruption in den Rathäusern verhindern. Mit teilweise absurden Folgen.

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© dpa

Von Sebastian Kositz

Bürgermeister und Kämmerer im Landkreis Bautzen raufen sich derzeit die Haare. Von Humbug und Firlefanz ist in den Amtsstuben die Rede. Was bringt sie so in Rage? Eine gesetzliche Änderung zur Spendenpraxis. Der Freistaat will damit der Korruption, verdeckten Spenden oder unzulässigem Einfluss auf die Verwaltung vorbeugen. Verbunden ist das Ganze mit einer guten Portion Bürokratie. Gerade hier setzen die Kritiker an. Schließlich habe man in den Verwaltungen Wichtigeres zu tun, heißt es. – „Mehr Transparenz ist zwar wünschenswert. Aber die jetzt angeordnete Verfahrensweise wird sich aus unserer Sicht wohl eher negativ auf die Spendenbereitschaft auswirken“, erwartet Bischofswerdas Oberbürgermeister Andreas Erler (CDU). Bautzens Oberbürgermeister Christian Schramm (CDU), bekannt als besonnener Politiker, ließ sich jüngst wegen der neuen Spenden-Bestimmung im Gesetz sogar öffentlich zu einer Scheibenwischergeste hinreißen.

Doch der Reihe nach. Was war eigentlich geschehen? Dazu muss der Blick zunächst nach Dresden gewandt werden, genauer in den Landtag. Dort hatten die Abgeordneten unlängst einen neuen Passus in die Sächsische Gemeindeordnung hineingebastelt. Und der sieht vor, dass Spenden und Schenkungen an die Kommunen und ihre Einrichtungen wie etwa Schulen, Kindergärten und Bibliotheken ab sofort immer erst von den kommunalen Parlamenten beschlossen werden müssen. Ganz egal, ob eine Brauerei für den Bautzener Frühling als Sponsor 2.000 Euro herüberschiebt oder die Kreissparkasse Geld gibt für Plüschtiere in einer Kindertagesstätte oder den Skaterpark in Neukirch.

Die Plüschtiere sind nur die Spitze des Eisbergs. Auf seiner jüngsten Sitzung musste der Bautzener Stadtrat noch ganz andere Zuwendungen abnicken. Zutaten für die Fischsemmeln des Drachenfestes in der Kneipp-Kita, bereitgestellt vom Essensanbieter Sodexo. Oder Stifte und Luftballons, die Eltern für die Fichteschule spendieren. Sogar der Kuchen der Bäckerei Fehrmann – ebenfalls gedacht für das Drachenfest – braucht erst die Absolution der Stadträte. Kein Wunder, dass da viele Volksvertreter und die Verwaltungsmitarbeiter nur noch mit dem Kopf schütteln – in Bautzen ebenso wie jüngst in Königswartha, in Radeberg und demnächst wohl auch in Bischofswerda. „Vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag erhalten wir eine Handlungsempfehlung. Mit dieser wollen wir einen entsprechenden Beschluss für die Stadtratssitzung im Mai vorbereiten“, sagt Andreas Erler.

Doch wer kam eigentlich auf die Idee, eine solche Regelung aufzustellen? Einer, der es wissen muss, ist der Landtagsabgeordnete Christian Hartmann. Der Christdemokrat ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, hat am Gesetz mitgearbeitet. Und findet daran auch gar nichts Schlimmes. „Bislang haben die Bürgermeister der Kommunen bei der Annahme der Spenden doch in einer Grauzone agiert. Da hätte jederzeit der Verdacht eines Bestechungsversuches aufgemacht werden können“, argumentiert der Politiker, der dabei sogar auf den Fall des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff verweist. Der hatte sich nach Bestechungsvorwürfen freiwillig aus seinem Amt verabschieden müssen.

Interessant ist aber die Antwort auf die Frage, wer nun wirklich hinter dem Gesetz steckt. Den Anstoß, so Christian Hartmann, hätte der Spitzenverband der Kommunen – der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) – selbst geliefert. „Der SSG war auf uns zugekommen und hatte um eine Regelung gebeten. Schließlich würde es ähnliche Gesetze auch in anderen Bundesländern geben“, erklärt der CDU-Landtagsabgeordnete. An dieser Stelle wird es jetzt aber besonders witzig. Der Präsident der SSG ist nämlich Christian Schramm – der Bautzener Oberbürgermeister, der mit seiner Geste die Absurdität der neuen Regelung noch einmal unterstrichen hatte.

Beim Städte- und Gemeindetag will man unterdessen auch gar nicht verhehlen, dass der Verband mit dieser Forderung an die Politik herangetreten war. „Uns ging es darum, Bürgermeister und Beigeordnete, die Zuwendungen einwerben, vor strafrechtlichen Vorwürfen der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit zu schützen“, erklärt SSG-Sprecher Falk Gruber. Doch die Politik sei übers Ziel hinausgeschossen. „Nach unserem Vorschlag wäre es möglich gewesen, gerade im Kleinspendenbereich die Annahmeentscheidung auf Ausschüsse oder Bürgermeister zu delegieren“, so Falk Gruber. Der Verband fordert deshalb nun eine Nachbesserung. Entsprechende Vorschläge seien dem Landtag bereits unterbreitet worden.