Die Tafeln sind geschlossen

Meißen. "Sehr geehrte Kunden, wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir aus aktuellem Anlass unsere Ausgaben vorübergehend bis auf Weiteres einstellen müssen. Die Tafelausgabe in Meißen auf dem Kynastweg schließt deshalb vorübergehend ab dem 17.3. 2020.“ Außerdem würden auch die Ausgabestelle in Nossen ab 18. März und die Außenstellen in Coswig und Lommatzsch zum 19. März schließen. So ist es auf der Internetseite der Meißner Kinder- und Familienhilfe zu lesen.
Was denn nun mit den Menschen werden soll, die bislang zu den Tafeln gekommen sind, lautet die Frage an Tafel-Chefin Ursula Gleisberg. „Die müssen wie alle anderen für ihr Geld in die Kaufhalle gehen.“ Sie würden alle Geld bekommen, ob HartzIV oder Rente, sie könnten selbst einkaufen gehen. „Wir bieten ihnen nur ein Zubrot, wir sind kein Geschäft, keine Kaufhalle. Wenn wir keine Ware bekommen, können wir keine ausgeben.“
Damit ist das erste große Problem benannt, mit dem die Tafeln derzeit nicht nur in Meißen, Coswig, Lommatzsch und Nossen zu kämpfen haben, sondern in ganz Deutschland. Auf der Internetseite liest sich das so: „Bitte haben Sie Verständnis, dass uns in der aktuellen Situation reduzierte Warenspenden zur Verfügung stehen.“ Das ist die vornehme Umschreibung dafür, dass den Tafeln Waren fehlen, weil die Leute aufgrund der Corona-Krise hamstern. Die Meißener Tafel und ihre drei Außenstellen erhalten ihre Waren von örtlichen Bäckern und den großen Märkten von Aldi, über Edeka, Kaufland und Lidl bis zu Netto und Norma. „Wir können nicht einfach in die Märkte gehen und sagen, gebt uns mal die und die Kiste!, erklärt Ursula Gleisberg. Am Montag war nur so wenig Ware da, dass man einen Großteil der Kunden wieder hätte wegschicken müssen. Einer solchen Situation habe man sich nicht weiter aussetzen wollen und können.
Bürgermeisterin bietet Hilfe an
Die Meißner Tafel versorgt in Meißen 50 bis 60 Familien. Das können richtige Familien mit einem, zwei oder auch vier Kindern sein und das können auch Einzelpersonen sein. In Lommatzsch sind es 25 Familien, in Coswig 35 und in Nossen 45. Während in normalen Zeiten in Meißen an vier Tagen Waren ausgegeben werden, geschieht dies in Coswig drei Mal und in Lommatzsch und Nossen an jeweils einem Tag in der Woche. Bislang. Auf mögliche Unterstützung seitens der Stadt hin angesprochen, antwortet die Lommatzscher Bürgermeisterin Anita Maaß, dass die Schließung der Tafel für die Bedürftigen der Stadt problematisch sei. „Bedürftige können sich gern an mich wenden, allerdings können wir die Lebensmittel als Stadt nicht kompensieren. Wir könnten nur versuchen, älteren Menschen Einkaufshilfen zu vermitteln, damit sie Supermärkte nicht besuchen müssen. Das hängt aber vom Einzelfall ab. Die Finanzierung von Lebensmitteln können wir nicht übernehmen.“
Und Uwe Anke, der Nossener Bürgermeister, erklärt: „Derzeit sehe ich keine Kapazitäten, zusätzliche Aufgaben wie die bisherige Arbeit der Tafel zu übernehmen. Generell sind wir jedoch erster Ansprechpartner für unsere Bürger. Sollten diese in eine Notlage geraten, dann werden wir natürlich versuchen zu helfen.“
Es gibt Tafeln in Deutschland, die werden von ehrenamtlichen Mitarbeitern betrieben, von denen 90 Prozent im Rentenalter sind. „Bei uns ist das ähnlich, etwa 80 Prozent der ehrenamtlichen Mitstreiter sind über 60 und dann haben wir noch zwei Ein-Euro-Jobber“, so Ursula Gleisberg. Damit ist das zweite große Problem, dass die Tafeln aktuell haben, benannt. Dass in Dresden derzeit noch Tafeln offen sind, liegt daran, dass dort der Altersschnitt der Mithelfer viel niedriger als in Meißen ist, war aus dem Dresdner Vorstand zu hören.
Ganz umsonst sind Lebensmittel bei der Meißner Tafel allerdings auch nicht zu haben. Erwachsene müssen drei Euro bezahlen und erhalten in der Regel einen Gegenwert von zwölf Euro, manchmal auch mehr. Kinder zahlen 50 Cent. Von den Einnahmen bezahlen die Tafeln ihre Fahrzeuge, Material etc.
Ursula Gleisberg hofft, dass die Tafeln alsbald wieder öffnen können. Schon kommende Woche wolle sie bei Märkten nachfragen, ob sich die Situation gebessert hat. Und sie wünscht sich, dass die Tafeln nicht dafür beschimpft werden, dass sie vorübergehend geschlossen sind.
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