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„Die Talsohle ist durchschritten“

Arbeitsagenturchefin Shirin Khabiri-Bohr sagt, dass sich die Zahl der Jobs stabilisiert hat und weiter wächst.

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Von Thomas Mielke

Das Nachwende-Jammertal ist durchschritten: Der Arbeitsmarkt im Südkreis Görlitz hat sich nicht nur stabilisiert, er wächst sogar. Das legen Zahlen nahe, die die Arbeitsagentur auf SZ-Bitte zusammengestellt hat. Vor dem Hintergrund der Überalterung wird der Trend noch deutlicher. Einige Politiker sehen sogar die Vollbeschäftigung kommen. Shirin Khabiri-Bohr, Leiterin der Agentur für Arbeit Bautzen, zu der die Geschäftsstellen in Zittau und Löbau gehören, sagt dazu:

Shirin Khabiri-Bohr, Leiterin der Agentur für Arbeit in Bautzen, sagt eine weitere positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Südkreis Görlitz voraus.Foto: SZ-Archiv/Uwe Soeder
Shirin Khabiri-Bohr, Leiterin der Agentur für Arbeit in Bautzen, sagt eine weitere positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Südkreis Görlitz voraus.Foto: SZ-Archiv/Uwe Soeder

Frau Khabiri-Bohr, ist die Talsohle am Arbeitsmarkt endlich durchschritten?

Ja, absolut. Die Zahl der Beschäftigten steigt im gesamten Agenturbezirk Bautzen, insbesondere in Zittau und Löbau. Das gilt auch für die Stellenangebote, die in unseren Geschäftsstellen in Zittau und Löbau, ja im ganzen Landkreis Görlitz eingehen.

Die erhofften Großinvestoren sind nicht gekommen. Woher kommt die positive Entwicklung dann?

Dafür haben insbesondere klein- und mittelständische Firmen gesorgt. Sie sind sehr gesund, und das schafft Beschäftigung.

Der Arbeitsmarkt ist also gesundet?

Er ist zumindest stabil. Trotzdem ist der Arbeitsmarkt nicht statisch, sondern dynamisch. Es kommen immer Menschen zu uns, die ihre Arbeit verloren haben. Gleichzeitig vermitteln wir genauso viele wieder. Trotzdem ist die Arbeitslosenquote im Vergleich zu anderen Regionen noch sehr hoch. Wenn wir diese Zahl aber mit der vor einigen Jahren vergleichen, kann ich sagen: Wir sind auf einem guten Weg.

Arbeitslose und Langzeitarbeitslose zusammen machen rund 20 Prozent aus. Ist das schon ein guter Weg?

Ja, denn diese Zahl ist falsch. Im Bereich der Geschäftsstelle Zittau liegt die Quote für beide Bereiche bei 12,9 Prozent, in Löbau bei 11,9 Prozent. Betrachtet man nur die Menschen, die ein Jahr oder kürzer arbeitslos sind, liegt sie in Zittau bei 4,0 Prozent und in Löbau bei 4,5 Prozent.

Geht die Entwicklung so weiter, sprich: Wird die Lage noch besser?

Wir gehen davon aus. Denkt man die demografische Entwicklung mit, dann wird die Zahl der Arbeitslosen immer kleiner werden. Auf der anderen Seite birgt diese Entwicklung aber auch eine Gefahr: Uns gehen immer mehr Arbeitskräfte verloren. Wir merken schon jetzt, dass in einigen Branchen Fachkräfte fehlen.

Einige Politiker gehen davon aus, dass 2020 oder 2025 Vollbeschäftigung herrscht. Glauben Sie das auch?

Es ist gut, wenn die Bundesregierung das Ziel Vollbeschäftigung verfolgt. Wir sehen an Regionen in Süddeutschland, dass dieses Ziel auch erreichbar ist. Die Herausforderung dabei bleibt, Fachkräfte zu generieren. Die Agentur für Arbeit Bautzen investiert deshalb schon seit zwei Jahren in die Qualifizierung ihrer Kunden, sowohl von Arbeitslosen als auch berufsbegleitend. Auf der anderen Seite bleibt die Unsicherheit der konjunkturellen Entwicklung. Aber auch in diesem Bereich sind wir um Löbau und Zittau – wie erwähnt – gut aufgestellt.

Glauben Sie nun an die Vollbeschäftigung in absehbarer Zeit?

Das ist schwer zu sagen. Unsere Aufgabe ist nicht die Prognose, sondern auf alle Szenarien vorbereitet zu sein.

Sollte die Vollbeschäftigung kommen: Hat sich die Arbeitsagentur dann selbst abgeschafft?

Nein. Wie schon gesagt: Der Arbeitsmarkt ist dynamisch. Pro Monat kommen im gesamten Agenturbezirk im Durchschnitt 2 500 Menschen zu uns, die Arbeit suchen oder beraten werden wollen. Zudem werden wir künftig die Unternehmen stärker beraten. Zum Beispiel bieten wir ihnen schon jetzt eine Demografie-Analyse ihrer Mitarbeiter an und beraten zu Möglichkeiten der Weiterbildung im Unternehmen.

Wenn die Lage so gut ist: Warum kommen so wenige Weggezogene zurück?

Das ist eine gute Frage. Um dieses Potenzial zu nutzen, haben wir im November 2012 extra ein Büro für Rückkehrwillige, das „Stell(en)werk“ in Bautzen, eingerichtet.

Ist das Lohngefüge ein Grund?

Das kann man nicht pauschal sagen. Aber sicherlich müssen sich die Arbeitgeber attraktiv aufstellen, damit möglichst viele den Schritt zurück in die Region machen.

Wenn Sie heute Jugendlichen eine Ausbildung oder ein Studium als Voraussetzung für einen sicheren Arbeitsplatz empfehlen sollten: Welche wären das?

Das hängt von Neigungen und Fähigkeiten der Jugendlichen ab. Wer es sich vorstellen kann und in der Region bleiben möchte, ist sicher mit einem Beruf im Gesundheitssektor, im Handwerk, dem Metallbereich oder einem IT- oder Ingenieurstudium, um nur einige zu nennen, gut beraten.