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Die Tour der Millionen

Seit Sonnabend schwitzen die besten Radsportler wieder auf der Rundfahrt durch Frankreich. Während sich die Pedalritter Alpenpässe hinaufquälen, freuen sich die Unternehmen über Fernsehpräsenz und steigende Bekanntheit.

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Von Georg Wenzelburger

Bei Gerolsteiner müssen sie gejubelt haben, als Jan Ullrich bekannt gab, er werde im Bianchi-Trikot an der diesjährigen Tour de France teilnehmen. Verkehrte Welt? Keinesfalls. „Ein Jan Ullrich ist unheimlich wichtig für die Werbewirkung der gesamten Tour de France in Deutschland“, sagt Volker Nickel als Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Die Werbekraft eines Ereignisses steige immer mit der Beteiligung eines großen Namens aus dem eigenen Land. Und deshalb freut man sich auch bei Gerolsteiner, dass Ullrich mitfährt. Selbst wenn er für die Konkurrenz und nicht für das eigene Team in die Pedale tritt. Jan Ullrich lockt eben mehr Deutsche vor die Glotze, als die Fahrer Pollack oder Totschnig, die im Trikot des Mineralwasser-Konzerns auf die Strecke gehen. Und mehr Zuschauer bedeutet mehr potenzielle Wasser-Käufer.

Dabei hat sich das Radsport-Engagement des Sprudel-Herstellers bereits ausgezahlt: „Im vergangenen halben Jahr ist die Bekanntheit unserer Marke von 35 auf 41 Prozent gestiegen“, berichtet Stefan Göbel, Leiter der Sponsoring-Abteilung bei Gerolsteiner. Hauptursache sei die Berichterstattung über das schon seit 1999 bestehende Radsport-Team in den Monaten vor dem Start der großen Schleife.

Wie viel sich der Konzern das Sport-Engagement kosten lässt, will Göbel nicht verraten. Nur soviel: Mit dem Etat vom bekanntesten deutschen Rennstall, dem Team Telekom, könnten sie wohl nicht mithalten – „allein wenn man das Fahrerpotenzial vergleicht“, so Göbel. Dennoch ist er sich sicher, dass die Tour de France das Mineralwasser noch bekannter machen wird: „Die Passgenauigkeit stimmt.“

Damit meint der Gerolsteiner-Mann, dass Radsport und Mineralwasser im öffentlichen Bewusstsein zusammengehören. Untersuchungen des Getränkeherstellers haben ergeben, dass die meisten Menschen Mineralwasser mit Ausdauersportarten wie Marathon und Radfahren verbinden. Hinzu kommt die Alltagstauglichkeit von Radsport. Göbel übersetzt das so: „Jeder kann mitfühlen, weil jeder einmal mit dem Fahrrad einen Berg hochgefahren ist.“ Und jeder kennt den Durst danach.

Werbung mit Sport liegt im Trend. Immer mehr Firmen drängen auf den Werbemarkt. Schätzungen des ZAW zufolge wird das Sponsoringvolumen im Sport bis 2006 auf zwei Milliarden Euro 2006 steigen. 2002 seien es noch 1,2 Milliarden gewesen, so ZAW-Geschäftsführer Nickel.

Grund ist seiner Ansicht nach vor allem der hohe Unterhaltungswert von Sportereignissen. „Da ist Spannung drin, und auch Nationalgefühle werden geweckt“, sagt der Werbeexperte. Wesentliche Ziele der Unternehmen seien, das Image der Marke zu pflegen und sie bekannter zu machen. Denn im Gegensatz zu einer Werbeanzeige könne man bei Sportsponsoring relativ wenig über die Vorzüge des Produktes kommunizieren, sagt Nickel.

Werbetross mit Millionen Gratisproben vor dem Feld

Bei Großereignissen wie der Tour kommt Werbung eine besondere Bedeutung zu. „Sportveranstaltung, Sponsoring-Unternehmen und Fernsehen sind voneinander abhängig“, weiß Nickel. Die Frankreich-Rundfahrt finanziere sich zu zwei Dritteln aus Werbemitteln.

Lange bevor die erste Ausreißer-Gruppe an den Zuschauern vorbeirast, bringt eine kilometerlange Werbekolonne die Etappe hinter sich. Mit rund 250 Fahrzeugen und Millionen Gratisproben versuchen Firmen, die Fans von ihren Produkten zu überzeugen. Geschätzte 15 Millionen Zaungäste verfolgen die Tour am Straßenrand.

Gerolsteiner beteiligt sich nur als Trikotsponsor an der Rundfahrt. „Wir wollen unsere Marke dadurch emotionalisieren“, sagt Sponsoring-Chef Göbel – als Newcomer und sympathisches deutsches Team. Dass die Strategie aufgeht, dessen ist sich der Marketing-Mann sicher: „Erst wenn eine Marke so richtig durchgeschwitzt ist, wird sie auf eine besondere Weise sympathisch.“ Über mangelnde Schweißtropfen werden sich die neun Fahrer des Teams sicher nicht beklagen. S.13