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Die Turmgut-Scheune fällt

Trotz Protesten schleift Pirnas Wohnungsgesellschaft eine historische Sandstein-Scheune. Manches dabei ist merkwürdig.

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© Norbert Millauer

Von Christian Eissner

Pirna. Bald sollen hier Autos parken: Pirnas städtische Wohnungsgesellschaft WGP hat mit dem Abriss der historischen Turmgut-Scheune in Copitz begonnen. Damit fällt das letzte Zeugnis eines großen Vorstadt-Gutes in Pirnas rechtselbischem Stadtteil. Copitzer Einwohner hatten mit einer Unterschriftensammlung gegen den Abriss protestiert, das Pirnaer Kuratorium Altstadt hatte in Briefen an Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos) und in Gesprächen für eine Rettung des Gebäudes geworben. Vergebens. Vergangene Woche wurden Nebengebäude abgebrochen und ein Kran aufgestellt, am Montag begannen Arbeiter, das Scheunendach abzutragen.

Anwohner bedauern den Abriss ebenso wie das Kuratorium Altstadt, da in Copitz kaum noch etwas an die Geschichte des Ortsteils als Landgemeinde vor den Toren Pirnas erinnert. Die mächtige, aus Sandsteinquadern errichtete Scheune war der letzte erhaltene Teil eines einst an der Hauptstraße gelegenen großen Gutshofes. Gebaut wurde sie um 1883.

Aus Sicht der WGP ist der Abriss der Scheune die beste Lösung, um die Hinterhofsituation zwischen Hauptstraße und Dammstraße neu zu ordnen. Die Wohnungsgesellschaft argumentiert, sie habe auch auf lange Sicht keine sinnvolle Nutzung für das Gebäude, stattdessen schaffe man Pkw-Stellplätze, eine Grünfläche und eine Sitzecke. Auch Bäume sollen gepflanzt werden, teilt WGP-Sprecher Sören Sander auf SZ-Anfrage mit. Für die WGP ist diese Umgestaltung eine Voraussetzung, um das Mehrfamilienhaus Hauptstraße 17 ab 2019 sanieren und die Wohnungen später vermieten zu können.

Als einziges Bauteil der Scheune soll das Türmchen überleben, das dem Gut seinen Namen gab. Es könnte später auf der entstehenden Freifläche aufgestellt werden, sagt Sören Sander. Andere Bauelemente will die WGP nicht erhalten – bis auf einen Keller, der künftig als Fledermausquartier dienen soll. Die Sandsteinquader, aus denen die Scheune besteht, möchte die WGP nach eigenen Angaben teilweise für eine spätere Verwendung einlagern und teilweise zur Gestaltung der Freifläche nutzen.

Denkmalamt schweigt sich aus

Unklar bleibt, warum das Landesamt für Denkmalpflege im Fall der Scheune seinen Standpunkt verändert hat. Im Frühjahr hatten Sachsens oberste Denkmalschützer auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie das Gebäude für erhaltenswert erachten. Da es nicht unter Denkmalschutz stand, wollte das Amt aber nicht auf Konfrontation mit der Stadt Pirna gehen. Man wolle eine gemeinsame Lösung suchen, hieß es. Die Stadt hatte das Landesamt daraufhin um eine Einschätzung zur Scheune gebeten, die die Denkmalschützer auch lieferten. Was genau in dieser Stellungnahme steht und welche Empfehlung die Denkmal-Experten aussprachen, ist aber bis heute nicht bekannt. Mehrfache telefonische und schriftliche Anfragen der SZ dazu ignorierte das Landesamt ohne Begründung.

Albrecht Sturm, der Vorsitzende des Kuratoriums Altstadt Pirna, ist vor allem sauer auf den Oberbürgermeister, der bei seiner Wiederwahl Anfang des Jahres mehr Bürgerbeteiligung versprach, aber Bürgervorschläge und eine Unterschriftenaktion zum Erhalt der Turmgut-Scheune ignorierte. „Man reißt ab wie früher, ohne Diskussion und Rücksicht auf Menschen, die Vorschläge machen“, sagt Sturm. „Derartiges hätte man zur SED-Zeit auch gekonnt, nur dass die Wahl damals nicht so frei war wie das Zuschauen, wenn ein historisches Gebäude gegen die Interessen kommender Generationen fiel.“