Die verschobene Trauer

Landkreis. Abstand statt Händchen halten, ein Zunicken statt tröstende Umarmungen: Trauer verlangt Nähe, Corona Distanz. Und so hat die Pandemie auch Auswirkungen auf Beerdigungen. Die Beisetzung findet im engsten Familienkreis statt, liest man jetzt häufiger in Traueranzeigen. Oder die Angehörigen verzichten ganz auf die Angaben, wann und wo Abschied genommen wird. Sie müssen sich entscheiden, wer zur Beisetzung kommen darf. Zwischen fünf und 15 Personen erlauben die Friedhöfe in der Region noch. Die Zeremonien sind kurz, Gaststätten für den normalerweise anschließenden Leichenschmaus geschlossen.
Da überlegen viele, ob sie die Beisetzung nicht lieber gleich verschieben. Sechs Monate erlaubt das Bestattungsgesetz das bei Urnenbeisetzungen, Erdbestattungen müssen in Sachsen spätestens nach acht Tagen erfolgen.
Viele Urnen werden in nächster Zeit das Meißner Krematorium deshalb nicht sofort verlassen. Dass es nach Corona dann zu viele Beisetzungstermine auf einmal geben wird, glaubt Jörg Schaldach, Geschäftsführer der Städtischen Bestattungswesen Meißen GmbH, nicht. Man sei gut ausgelastet, aber die Auftragslage sei normal.
Verbrennung online verfolgen
Mehrere mit Corona infizierte Verstorbene sind schon im Krematorium gelandet, wie Schaldach erklärt. „Sie werden behandelt, wie andere an Infektionskrankheiten Verstorbene.“ Das Robert-Koch-Institut empfiehlt dennoch besondere Maßnahmen zum Eigenschutz der Bestatter, etwa Filtermaske, Schutzkittel, Schutzbrille und natürlich strikte Händedesinfektion.
Darauf habe man schon immer geachtet, so Schaldach. Und nun eben noch mehr. Dabei sei die Übertragung durch Luft wahrscheinlicher als durch Materialien. In sofern sind die Lebenden gefährlicher. Trotzdem rücken die Mitarbeiter in Einweganzügen und mit Masken aus, wenn sie im Krankenhaus einen Corona-Verstorbenen abholen. Dann werden die Särge mit Folie verschlossen, bevor die Schutzkleidung wieder abgelegt wird. Eine Aufbahrung ist nicht möglich.
Das Krematorium bietet Angehörigen die Möglichkeit, zumindest aus der Ferne den Verbrennungsprozess zu verfolgen. Online wird angezeigt, wann der Sarg in den Ofen fährt, wann die Einäscherung abgeschlossen ist. Auch wenn es das persönliche Abschiednehmen nicht ersetzt, könne in dieser Zeit zum Beispiel eine Kerze angezündet werden, so Schaldach. „Die Trauerzeremonien werden sowieso immer kleiner, häufig ohne Redner oder Musik.“ Was nun bei Beisetzungen momentan vermieden werden müsste, ist, dass zu viele Personen, die zu Risikogruppen gehören, aufeinandertreffen.
Trauergespräche am Telefon
Im Bestattungswald im Friedewald dürfen noch zehn Personen an einer Beisetzung teilnehmen. Laut Daniel von Sachsen entscheiden sich etwa die Hälfte der Angehörigen der Sterbefälle für eine Verschiebung. „Das hängt davon ab, wie wichtig den Familien eine zeitnahe Beisetzung ist und wie groß sie diese wünschen.“ Trauerreden werden in Corona-Zeiten kürzer gestaltet. Das liegt daran, dass auch die Trauergespräche im Vorfeld nur noch per Telefon möglich sind, so von Sachsen. „Wir bieten an, nur die Beisetzung im engsten Familienkreis durchzuführen und sie von der Trauerfeier, die später im größeren Rahmen stattfinden kann, zu entkoppeln“, sagt Daniel von Sachsen.
In Weinböhla sind nur noch maximal 15 Personen erlaubt, so Pfarrer Norbert Reißmann. Um die Abstandsregelung einzuhalten, finden die Feiern im Freien statt. „Angehörige haben sich aber auch schon entschieden, es vorerst zu verschieben. Zuletzt bei einem Fall, wo über 100 Trauergäste erwartet worden wären.“
In Coswig geht es ebenfalls nicht mehr in die Trauerhalle. „Wir treffen uns davor und gehen direkt ans Grab, wo man dann so versetzt steht, dass ebenfalls genügend Abstand herrscht“, erklärt Pfarrer Christoph Gutsche. Die Hinterbliebenen würden sich auch daran halten. Das sei für alle Beteiligten ungewohnt, sagt er, der den Angehörigen auch keine Hände mehr schütteln darf. Er bietet den Familien an, dass - sobald es wieder erlaubt ist - für die Verstorbenen später in der Kapelle eine Andacht gehalten wird.
Dass ohne zeitnahe Beisetzung der Trauerprozess verzögert wird, ist laut Jörg Schaldach vom Meißner Krematorium nicht das schlimmste. Den Angehörigen wird auch die Möglichkeit genommen, sich zu Lebzeiten zu verabschieden. Pflegeheime und Krankenhäuser lassen keine Besucher mehr rein. Das bedeutet, sobald der Rettungsdienst einen Patienten holt, besteht das Risiko, dass man sich nie wieder sieht. Jörg Schaldach hat deshalb einen Rat für alle, die sich verstritten haben: „Es wäre jetzt eine gute Zeit, Frieden zu schließen, einen Brief zu schreiben oder zum Telefon zu greifen.“
Die Trauerzeremonie sei aber wichtig. „Wenn die Urne nach unten gelassen wird, ist es ein Abschluss“, so Schaldach.
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