Von Jürgen Müller
Coswig/Meißen. Der 42-Jährige aus Coswig ist das, was man einen unbescholtenen Bürger nennt. Noch nie hatte er mit dem Gericht zu tun. Der Arbeitslose verdient sich etwas Geld dazu mit einem Job als Zeitungszusteller, um dem Staat nicht gänzlich auf der Tasche zu liegen. Die Arbeit macht ihm Spaß, obwohl er täglich um zwei Uhr nachts anfangen muss. Er fühlt sich gebraucht, sitzt nicht nutzlos zu Hause herum.
Doch seit Januar dieses Jahres ist er seinen Job los, wurde gekündigt. Weil er eine Straftat beging. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, Kupferschrott im Wert von 5 000 Euro gestohlen zu haben. Die Taten standen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Zeitungszusteller. Das Kupfer holte er aus einem Haus, in dem die Räder der Zusteller untergestellt waren und zu dem er einen Schlüssel hatte. Mit Rucksack und Fahrrad transportierte er den Schrott ab.
Geschädigter erscheint nicht vor Gericht
Der Schaden ist aber von dem Geschädigten ganz offenbar viel zu hoch angesetzt. Tatsächlich hat der Angeklagte dreimal Schrott auf einen Recyclinghof in Coswig gebracht, einmal 27,5 Kilogramm Kupfer, dann 9,5 Kilogramm Kupfer und zuletzt acht Kilogramm Messing. Letzteres will er aus für den Sperrmüll am Straßenrand abgestellter Elektrogeräte gestohlen haben. Insgesamt erhielt er für den Schrott gerade mal 75 Euro.
Wie der hohe Schaden zustande kam, möchte Richterin Ute Wehner den Geschädigten gern selbst fragen, hat ihn deshalb als Zeugen geladen. Doch er erscheint nicht. Möglicherweise hat er die Kosten angesetzt, die notwendig waren, um den alten Zustand in dem Haus wieder herzustellen.
Der Angeklagte hat auch Zeitungen gestohlen, sie zum Altstoffhändler gebracht. Dafür erhielt er rund zehn Euro. „Zuvor habe ich sie aber noch gelesen“, sagt der Mann. Das ist löblich und sollte strafmildernd wirken. Oberstaatsanwältin Karin Dietze regt dann auch an, dieses Verfahren wegen der Zeitungen einzustellen, freilich aus anderen Gründen, nämlich wegen Geringfügigkeit.
Er habe aus purer Not gestohlen, sagt der Angeklagte, um sich etwas zu essen kaufen zu können. Immerhin, für fünf bis sechs Flaschen Bier reicht es pro Tag. Diese Menge gibt er zu, in Wirklichkeit ist es wohl deutlich mehr. Auch im Gerichtssaal trägt er eine deutliche „Fahne“ vor sich her. Das sei Restalkohol vom Vortag, behauptet der Mann, der jetzt von Arbeitslosengeld II lebt und sich sein Essen bei der Tafel holt. „Der Anreiz war einfach zu verlockend“, begründet der Mann seine Taten.
Geldstrafe wegen Diebstahls
Er habe nicht aus Bereicherungssucht, sondern aus finanzieller Not gestohlen, wenngleich das die Taten nicht rechtfertige, sagt Oberstaatsanwältin Karin Dietze. Der Schaden sei allerdings in der Anklage viel zu hoch angesetzt. Relevant für das Strafverfahren und letztlich die Verurteilung seien nicht die Kosten, um den alten Zustand wieder herzustellen, sondern das Geld, das er bei dem Schrotthändler erhielt, also rund 75 Euro. Sie plädiert auf eine milde Geldstrafe wegen Diebstahls von 200 Euro.
So urteilt auch Richterin Ute Wehner. Weil klar ist, dass der Mann selbst diese 200 Euro nicht wird bezahlen können, belehrt sie ihn, dass er beantragen kann, die Geldstrafe abzuarbeiten. Dazu muss er aber selbst tätig werden. „Wenn sie nicht bezahlen und sich nicht kümmern, wandern sie für 20 Tage ins Gefängnis“, droht ihm die Richterin an.