An diesen Orten ist Corona vorbeigegangen

Hier läuft alles nach Vorschrift. Die Kunden legen pflichtbewusst den Mundschutz an, bevor sie den Laden der Bäckerei Schmieder in Hartmannsdorf im Osterzgebirge betreten. Auf der Ladentheke sind jetzt hohe Scheiben aufgebaut. Damit soll die Verbreitung des Corona-Virus SarsCov-2 verhindert werden.
Doch was kann verbreitet werden, was nie in der Gemeinde Hartmannsdorf-Reichenau angekommen ist? Jedenfalls ist kein einziger Fall dokumentiert, dass ein Einwohner oder eine Einwohnerin der 1.000-Seelen-Gemeinde von einer Corona-Infektion betroffen war.
Geschäftsführer Ronny Schmieder muss trotzdem alle Auflagen erfüllen. "Für die Verkäuferinnen ist das schon anstrengend, den ganzen Tag mit Mundschutz zu arbeiten", sagt er. Zu tun gibt es in den Dorf-Filialen auch genug. Brot und Brötchen werden zurzeit sogar mehr verkauft, Torten weniger - es wird ja kaum noch gefeiert.

Warum die Dorf-Idylle Vorteile hat
Hartmannsdorf-Reichenau ist eine von vier kleinen Gemeinden im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, die von Corona-Fällen verschont geblieben sind. Zu ihnen zählen noch Liebstadt, Dorfhain und Rathmannsdorf.
Bürgermeister Reinhard Pitsch (parteilos) nennt es ein Glück, dass Hartmannsdorf-Reichenau bisher verschont geblieben ist. "Mal sehen, ob das so bleibt, wenn jetzt alle wieder in den großen Centern einkaufen gehen dürfen", sagt er. Aus seiner Sicht waren die Maßnahmen wirksam. Anfangs waren auch alle Bewohner davon überzeugt. Die Kita in Hartmannsdorf wurde am 17. März komplett geschlossen, weil die Eltern kein einziges Kind mehr in die Einrichtung brachten. Das änderte sich erst, als im April die Notbetreuung von Kindern auf weitere Personengruppen ausgeweitet wurde. Inzwischen kommt knapp ein Viertel der regulären Kinderschar wieder regelmäßig.
Pitsch hält das Risiko von Infektionsketten in der dörflichen Gegend für relativ gering. "Wir haben hier keine größeren Läden, Restaurants oder Betriebe", sagt der Bürgermeister. Ob es deshalb keine Erkrankten gibt, ist noch unerforscht. Nach sieben Wochen Shutdown hinterfragen aber immer mehr Leute die Maßnahmen. "Da muss man als Bürgermeister viel Aufklärung leisten", sagt Pitsch.
Wie ein Bürgermeister in Zwiespalt gerät
Auch ohne Infizierte in seinem Ort befindet sich der ebenfalls ehrenamtliche Bürgermeister von Dorfhain in einer schwierigen Position. Der Haupterwerb von Olaf Schwalbe (CDU) ist das Erbgericht. Doch der Wirt hat seit Wochen keine Einnahmen mehr, weil ihm wie allen anderen Gastronomen der normale Betrieb untersagt wurde.
Als Bürgermeister setze er selbstverständlich alle Vorgaben in der Gemeinde um. Am Anfang gab es Verständnis bei den Einwohnern dafür. "Jetzt gehen mir aber die Argumente aus", sagt Schwalbe. Nicht nur, weil in Dorfhain - knapp 1.100 Einwohner - keine einzige Covid-19-Erkrankung registriert wurde. Bund und Länder dürften nicht so rumeiern, sagt er. Die Entscheidungen müssten jene Landkreise, die die Epidemie in den Griff gekriegt haben, wieder eigenständig lösen können. "Unser Landrat ist doch erfahren in Krisensituationen, hat gut und entscheidungsstark reagiert." Das bestätigten ihm auch die anderen Bürgermeister.
Als Unternehmer fordert er weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen. "In die Kaufhäuser dürfen Tausende, aber zu mir darf niemand rein", beklagt er sich. Dass Sachsens Wirtschaftsminister, Martin Dulig (SPD), jetzt angekündigt hat, dass in Biergärten demnächst wieder ausgeschenkt werden darf, sei zwar für Dresden ganz schön. "Für uns in der Peripherie wäre es wichtiger, dass der Hotelbetrieb wieder laufen kann oder Familienfeiern möglich sind", sagt Schwalbe.

Was sich eine junge Mutter wünscht
Auch private Vermieter von Unterkünften haben derzeit kaum Einnahmen. Da hilft es auch nichts, dass eine Gemeinde quasi Corona-frei ist - wie Liebstadt mit seinen rund 1.300 Einwohnern. Im Ortsteil Berthelsdorf vermietet Franziska Günther eine Ferienwohnung, die fast komplett ausgebucht gewesen war. Doch dann kamen die Kontakt-Beschränkungen. Die angemeldeten Gäste stornierten. "Manche hatten einfach nur aus Angst ihr Kommen abgesagt", erklärt Günther. Ihre Einnahmeverluste gehen inzwischen in die Tausende.
Als junge Mutter ist sie doppelt belastet. Seit Wochen arbeitet sie im Homeoffice und muss währenddessen ihre zwei kleinen Kinder betreuen. Zu Anfang hatte sie volles Verständnis für die Maßnahmen, schließlich wusste niemand, was tatsächlich auf alle zukommt. "Wie jetzt allerdings der Wiedereinstieg läuft, ist ziemlich mies", sagt sie. Für die Mutter ist unbegreiflich, dass sie mit ihren Kindern in jede Shopping-Mall gehen, sie aber nicht in die Kita bringen darf. Dabei bräuchten Kinder dringend soziale Kontakte. "Da bin ich froh, dass sie sich auf dem Land wenigstens relativ frei bewegen können", sagt Günther.
Weshalb ein Handwerker auf Experten vertraut
Auch das knapp 1.000 Einwohner zählende Rathmannsdorf hatte bisher keinen einzigen dokumentierten Corona-Fall zu verzeichnen. Im örtlichen Baumarkt oder an der Tankstelle herrscht ordentlich Betrieb. An der Schlosserei von Frank Venus ist die Krise bisher vorbeigegangen. "Toi, toi, toi, da habe ich Glück gehabt", sagt der Rathmannsdorfer und hofft, dass es so bleibt. Auf den Baustellen versuche man auf jeden Fall, die Hygiene-Empfehlungen umzusetzen. Mehr Einschränkungen gäbe es bei der Arbeit eigentlich nicht, erklärt Venus.
Er kenne allerdings Kunden, die es arg getroffen hat. Ob die Maßnahmen schneller gelockert werden sollten, da wolle er sich nicht festlegen. "Das maße ich mir nicht an. Dafür gibt es genug Experten, die sich damit befassen", sagt er.
Das Landratsamt hat am Dienstagabend gemeldet, dass von den 32 Städten und Kommunen, in denen bislang Personen positiv auf das Corona-Virus getestet wurden, inzwischen wieder 20 Corona-frei sind. Am Montag waren es noch 21. In Bad Gottleuba-Berggießhübel gibt es wieder einen Infizierten. Insgesamt sind aktuell nur noch 30 positiv Getestete im ganzen Landkreis registriert. Viele Erkrankte werden stationär behandelt. Handlungsspielraum haben Landkreis und Kommunen dennoch kaum, die Einschränkungen zu lockern. Bund und die Länder haben die Entscheidungen darüber an sich gezogen.
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