Die Dresdner Wintergärtner

Mit einem großen Sack voller Reisig macht sich Anja Serak auf den Weg. Das Haupttor an der Sparte "Gartenfreunde II" in Cotta ist verschlossen. Auf dem Weg in ihre Parzelle trifft sie keine anderen Kleingärtner. Alles ist still hier. So wie jeden Tag zu dieser Jahreszeit. Niemand mäht, niemand sägt, niemand hämmert. All die Beete links und rechts des Weges liegen nur so da und warten auf den Frühling, wenn ihre Besitzer sich endlich wieder für sie interessieren.
Für Anja Serak kommt es nicht infrage, als Kleingärtnerin monatelang Winterschlaf zu halten. Die 46-Jährige ist jeden Tag hier draußen. Nicht nur so, um sich den kalten Wind um die Nase wehen zu lassen, sondern weil es für sie immer etwas zu tun gibt. Vor allem gibt es etwas zu ernten.
Während der Anbau von Obst und Gemüse für viele Kleingärtner in der heutigen Überflussgesellschaft mehr und mehr zur lästigen Pflicht geworden sei, steht er für sie noch immer im Vordergrund.
"Ich bin der Überzeugung, dass man zwölf Monate im Jahr ernten kann", sagt sie. Das Zauberwort heißt "Fruchtfolge". Auch ihr eigener Garten ist zwar gerade kein Anblick für bunte Magazine, aber hier herrscht Leben. In der Erde stecken Rote-Beete-Rüben, Winterporree und Pastinaken. Sogar einige Möhren wachsen noch munter vor sich hin.

"Bislang gab es ja noch keinen nennenswerten Frost, sagt Anja Serak. Deswegen gedeiht auch der Mangold noch, für den sie den Reisig mitgebracht hat. Als Schutz, falls der Winter doch noch ernst machen sollte. Da sie beruflich als Hausmeisterin arbeitet und jeden Tag irgendwo Sträucher und Bäume verschneidet, hat sie für solche Fälle auch immer genug Grünzeug zu Hand.
Das Laub, das sie auf den bereits abgeernteten Beeten verteilt hat, stammt von ihrer Arbeit. Einige Nachbarn sind zwar nicht gerade begeistert, wenn das ein oder andere Blatt auch mal auf ihre fein säuberlich geharkten Rasenflächen hinüberweht, aber auf ein paar Grundsätze des naturnahen Gärtners will Anja Serak nicht verzichten.
Als sie die Parzelle vor zwei Jahren übernahm, entsorgte sie als erstes die Ruine einer alten Laube. Ein neues Häuschen brauchte sie nicht und war stattdessen an maximaler Anbaufläche interessiert. Ihre Komposthaufen, die sie als das Herzstück ihres Gartens bezeichnet, brauchen schließlich auch noch Platz.
“Ich sag immer, ich geh Blümchen gucken”
Es gibt sie also, die Kleingärtner, die ihrem Stück Natur auch im Winter die Treue halten. Auch Anja Gutsche gehört zu ihnen, auch wenn sie mit ihrer pinken Haarpracht auf den ersten Blick so gar nicht an eine typische Kleingärtnerin erinnert.
Jeden Tag besucht sie ihre Parzelle im Kleingartenverein Seewiesen, die sie vor vier Jahren übernommen hat. "Ich brauche einfach die Ruhe dort", sagt die 43-Jährige, die krankheitsbedingt im Vorruhestand ist und nun noch Schmuck entwirft.
"Den anderen sag ich immer: Ich geh Blümchen gucken." Natürlich blüht gerade jetzt zwischen Januar und Februar nicht all zu viel. Dennoch gibt es immer etwas zu entdecken. Zwar hat Anja Gutsche eine kleine Laube, hinein geht sie auch im Winter allerdings kaum.
"Ich hab draußen eigentlich immer was zu muddeln", sagt sie. Dabei hat sie bislang noch gar kein Wintergemüse angebaut. Das soll noch kommen. Zunächst einmal will sie mit ihrem Mann Georg aber einige Hochbeete vorbereiten und einen kleinen Teich ausheben. Eine geradezu ideale Beschäftigung für den Winter, zumindest solange der Boden noch nicht durchgefroren ist.

Während Anja Gutsche vor allem die Stunden in der Natur genießt, geht es ihrer Namensvetterin Anja Serak auch um den Ertrag. Als gelernte Landwirtin und Gartenberaterin in ihrer Sparte weiß sie genau, wann sie welches Gemüse anbauen und ernten kann, welche Pflanzen zusammenpassen und welche eher nicht. Einer ihrer Lehrsätze: "Was auf dem Teller zusammenpasst, passt meist auch im Beet zusammen."
Anja Serak spricht von Starkzehrern, Mittelzehrern und Schwachzehrern, je nachdem, wie viele Nährstoffe die Pflanzen brauchen. Gelernt habe sie das alles über die Jahre nach dem beliebten Prinzip: Versuch und Irrtum.
Früher bewirtschaftete sie mal drei Gärten parallel. Derzeit beschränkt sie sich allerdings auf diese 200 Quadratmeter hier. Nicht nur um warm zu werden, lockert sie mit einem Spaten die Böden auf. Auch sonst wird ihr nicht langweilig: Ernten, neue Beete anlegen und Sträucher verschneiden seien typischen Aufgaben für die Wintermonate. Außerdem wollen auch die Pflanzen im heimischen Winterquartier gepflegt werden.
Ihr Wissen über das Gartenjahr will Anja Serak auch an andere weitergeben. Zwei Exkursionen im Jahr bietet sie an, zum Beispiel zur Humuswirtschaft. Teilnehmen dürfen alle Gartenfreunde, nicht nur die aus ihrer Sparte.
Vielleicht könne sie dadurch ja ihren Teil dazu beitragen, dass künftig auch im Winter mehr Leben in die Dresdner Kleingärten einzieht.
