Evelyn Engemann erfüllt Wünsche. Viele Wünsche. Auf ihren Wunschlisten stehen die Namen von jungen Familien, die gern mit rüstigen Senioren in Kontakt kommen würden. Oder von alleinstehenden Müttern, die sich über einen Babysitter freuen würden, der ihr Kind betreut, wenn sie zur Arbeit müssen, die Kita aber noch oder schon geschlossen ist. Oder von Betreuern und Pflegediensten, die um gelegentlichen Besuch im Pflegeheim bitten.
In ihrem Büro im Rathaus am Markt hat Evelyn Engemann auch Wunschlisten von Bürgern, die ihre Hilfe anbieten. In der Freiwilligenzentrale bringt die 45-Jährige die Menschen zusammen, bahnt Kontakte an zwischen Hilfesuchenden und Helfenwollenden. Alles freiwillig, ehrenamtlich.
Ehe es dazu kommt, dass ein Freiwilliger für einen alten oder behinderten Mitmenschen einkauft, mit ihm spazieren geht oder ihm aus der Zeitung vorliest, müssen zunächst Barrieren überwunden werden, beschreibt Evelyn Engemann eine der Schwierigkeiten beim Erfüllen der Wünsche. Eine gewisse Scheu vor Kontakten mit Menschen in anderen Lebenssituationen sei aber völlig normal.
Aber der Austausch zwischen Generationen kann für beide Seiten gewinnbringend sein, ist sie überzeugt. Gerade bei den Wunschgroßeltern sei das zu erleben: Es geht eben nicht nur um das Betreuen der Kinder für ein paar Stunden, sondern auch um den Austausch zwischen den Generationen. Oft freunden sich Familien mit den Wunsch-Omas und -Opas an, berichtet sie.
Babysitter-Dienst im Aufbau
In der Freiwilligen-Zentrale, die an diesem Sonnabend ihr fünfjähriges Bestehen feiert, baut Evelyn Engemann jetzt einen Babysitter-Dienst auf. Auch dabei geht es nicht um Konkurrenz zu professionellen Betreuungsdiensten, sondern um schnelle Hilfe. Als Mutter von drei Kindern weiß sie selbst, wie wichtig es ist, die Kleinen auch dann gut aufgehoben zu wissen, wenn Unvorhergesehenes die Tagesplanung über den Haufen wirft.
„Ehrenamtliches Engagement beginnt in der Jugend“, weiß die blonde Frau aus eigener Erfahrung. In der Jungen Gemeinde in der Oberlausitz, wo Evelyn Engemann aufwuchs, musste sie als 19-jährige eine Rüstzeit organisieren, als eine kirchliche Mitarbeiterin ausgefallen war. Weil das gut klappte, hat sie in den Jahren immer wieder Verantwortung übernommen, Organisationstalent bewiesen.
Durch die Arbeit mit jungen Leuten und die gemeinsame Freizeit mit Gleichgesinnten in einer kirchlichen Band fand Evelyn Engemann über Umwege in den Dienst der evangelischen Kirche, wo sie als Religionslehrerin in Werdau und Bezirksjugendwartin in Großenhain tätig war. In der Meißner Freiwilligenzentrale unter dem Dach des Diakonischen Werkes arbeitet Evelyn Engemann seit 2008. Zu ihr fand sie über einen Tauschring, den sie in Meißen aufgebaut hat und in dem sie heute noch ehrenamtlich mitarbeitet.
Immer öfter erreichen sie die Wünsche von offizieller Seite: Wenn Angehörige nicht in der Nähe sind oder es ihnen egal ist, wenden sich Ämter auch an die Freiwilligenzentrale, um ein wenig Hilfe oder Zuwendung für den Einzelnen zu organisieren.
Der Bedarf ist riesig
In einigen Fällen kann Evelyn Engemann auf ihre Kontakte zum Landesgymnasium St.Afra bauen. „Ich vermittle auch Einsätze für die Service-Dienste, die für die Gymnasiasten an jedem Mittwochnachmittag obligatorisch sind: Vorlesen im Altenheim, Hausaufgabe-Hilfe in Horten, Computer-Tipps beim Tauschring. „Soziales Engagement ist wichtiger Bestandteil einer guten Bildung“, ist sie überzeugt. Auch weil es soziale Kompetenz ausprägen und stärken hilft. Gern würde sie auch Schüler anderer Meißner Schulen vermitteln. „Der Bedarf ist riesig“, weiß sie. Harald Daßler
Anlässlich ihres fünfjährigen Bestehens lädt die Freiwilligenzentrale an diesem Sonnabend ab 10 Uhr zu einem Tag des Ehrenamtes in das Theater der Stadt Meißen ein. Um 11 Uhr beginnt eine Podiumsdiskussion „Ehrenamt - Chancen und Grenzen“. Auf einem Markt der Möglichkeiten präsentieren sich ab 12 Uhr Anbieter ehrenamtlicher Stellen.