Von Siegfried Behla und Kathrin Krüger-Mlaouhia
Am 8. November 2005 gründete sich im Konfirmandenzimmer in der Naundorfer Straße die Initiativgruppe (IG) Mahnmal Marienkirche. Damit begann eine kontinuierliche Forschungsarbeit zu regionalen Opfern von Krieg, Vertreibung und politischer Gewaltherrschaft im Kirchenbezirk. Diese ehrenamtliche Arbeit ist deutschlandweit einmalig und findet überall Anerkennung. Vorläufiger Höhepunkt war die feierliche Einweihung eines Mahnmals mit Namensbüchern im Raum des Gedenkens 2007. Das war am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr, dem Volkstrauertag. Zum jetzigen Zeitpunkt sind 2490 Menschen mit ihren Leidenswegen erfasst. Die IG organisiert zudem auch Ausstellungen im Gotteshaus. Die Erste thematisierte den sowjetischen Lagerkomplex Workuta, nördlich des Polarkreises. Die diesjährige Schau gibt einen Überblick über die politischen Repressionen von der sowjetischen Besatzungszone bis zum Ende der DDR, unter denen auch viele Christen aus dem Kirchenbezirk litten. Ihr Titel: Mauern. Gitter. Stacheldraht.
1945 hatte der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg geendet. Mit dem Zusammenbruch des NS-Regimes und den Plänen der Alliierten zu einer umfassenden Demokratisierung schöpften viele Menschen Hoffnung auf einen Neubeginn. Doch bald zerbrach die Anti-Hitler-Koalition. Durch Unterdrückung und Terror errichtete die sowjetische Militäradministration in ihrer Besatzungszone (SBZ) eine Diktatur nach dem Vorbild der kommunistischen Sowjetunion. Die Staatsgründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erfolgte 1949 ohne demokratische Legitimation. Die Staatspartei SED regierte über 40 Jahre mit Alleinherrschaftsanspruch. Kritik und Widerspruch wertete das Regime als Angriff gegen die herrschende Partei und die sowjetische Besatzungsmacht. Die Repressionen in SBZ und DDR zwischen 1945 und 1990 waren vielseitig. Zu Leidtragenden wurden meist junge Menschen, die wegen ihrer Einstellung oder Lebensweise in Konflikt mit dem Staat gerieten. Die Ausstellung gibt ihnen ein Gesicht. Sie erzählt von den Schicksalen deportierter Frauen und Mädchen, von Internierten in deutschen und osteuropäischen Speziallagern, von politischen Häftlingen in DDR-Zuchthäusern, von an der innerdeutschen Grenze Zwangsausgesiedelten und von den durch die DDR-Staatssicherheit Verfolgten und Inhaftierten. Gefördert wurde die Schau mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Erstellt wurde die Ausstellung von der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) e.V. Sie ist in der Marienkirche vom 1. Oktober bis zum 20. November täglich von 9 bis 17 Uhr zu besichtigen sein. Die Eröffnung findet am 30. September um 18 Uhr in der Marienkirche mit Orgelmusik und Andacht statt. Pfarrer Eckehard Klabunde führt in die Ausstellung ein. Zeitzeugen werden anwesend sein. Ein Büchertisch mit Literatur aus der stalinistischen Diktatur der SU wird Angebot sein.