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Dieses Enzym macht Krebs aggressiv

Dresdner Forscher haben herausgefunden, wie ein bestimmtes Enzym dafür sorgt, dass Tumorzellen überleben. Jetzt soll es ausgeschaltet werden.

Von Jana Mundus
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Mikroskopischer Blick ins Tumorgewebe des schwarzen Hautkrebses: Das Enzym Caspase 8, die dunkelroten Punkte, reichert sich in den Zellkernen an und aktiviert den für Patienten fatalen Überlebensmechanismus der Zelle.
Mikroskopischer Blick ins Tumorgewebe des schwarzen Hautkrebses: Das Enzym Caspase 8, die dunkelroten Punkte, reichert sich in den Zellkernen an und aktiviert den für Patienten fatalen Überlebensmechanismus der Zelle. © NCT/UCC Dresden

Dresdner Wissenschaftler haben einen wichtigen Überlebensmechanismus aggressiver Tumorzellen entdeckt. Dieser war bisher noch völlig unbekannt. Eine wichtige Rolle spielt dabei nämlich das Enzym Caspase 8. Es kommt ausschließlich im Zellkern aggressiver Krebszellen vor. Ließe sich das Enzym genau dort chemisch hemmen, könnten Krebserkrankungen auch in fortgeschrittenen Stadien wirkungsvoll bekämpft werden. Das wäre eine Chance für völlig neuartige Therapien gegen Krebs.

Die Entdeckung machten jetzt Forscher des Dresdner Universitätsklinikums Carl Gustav Carus am dortigen Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC). Unterstützt wurden sie dabei von internationalen Kollegen. In diversen Laborversuchen konnten sie den Mechanismus bei verschiedenen Krebsarten nachweisen. Darunter waren neben schwarzem Hautkrebs und Prostatatumoren auch Bauchspeicheldrüsenkrebs, Blasenkrebs, Brustkrebs, Darmkrebs, Eierstockkrebs, Hodenkrebs, Lungenkrebs, Nierenkrebs und Hirntumoren.

Tumorzellen vermehren sich meist besonders schnell. Sie setzen dabei Kontrollmechanismen außer Kraft, mit denen der Körper die Teilung kranker Zellen zu verhindern sucht. Häufig spielen dabei Mutationen des im Zellkern enthaltenen Eiweißes p53 eine Rolle, das eine wichtige Kontrollfunktion im Zellzyklus ausübt. Auch in besonders aggressiven Krebszellen ist es vorhanden. Trotzdem kann es seiner Wächterfunktion dort nicht nachkommen. Verantwortlich ist ein bislang unbekannter Mechanismus, der bewirkt, dass der p53-Spiegel zu gering ist, um geschädigte Krebszellen in den programmierten Zelltod – eine Art Selbstmordprogramm der Zelle – zu treiben.

Eine wichtige Rolle bei diesem Mechanismus spielt das Enzym Caspase 8, das normalerweise nur im Zytoplasma vorkommt, das das Innere der Zelle umgibt. Das Enzym reichert sich bei aggressiven Krebszellen jedoch direkt im Zellkern an. „Wir konnten erstmals zeigen, dass es dort ein spezielles Protein spaltet, das dafür verantwortlich ist, den p53-Spiegel in Krebszellen mit erhöhter DNA-Schädigung anzureichern“, erklärt Dagmar Kulms, Leiterin des Bereichs „Experimentelle Dermatologie“ des Universitätsklinikums Dresden. 

In der Folge wird p53 zu stark abgebaut und kann seine Kontrollfunktion nicht mehr ausüben. Zellen mit geschädigter DNA werden dann nicht mehr in den programmierten Zelltod getrieben, sondern stattdessen der Zellteilung zugeführt.

Caspase 8 nur in besonders aggressiven Krebszellen

Wie wirkungsvoll dieser Mechanismus ist, zeigen die schlechten Überlebensraten von Patienten, bei denen sich eine Anreicherung von Caspase 8 im Zellkern von Tumorzellen nachweisen lässt. „Gerade diese Zellen finden sich oft auch gehäuft in der restlichen Tumormasse, die sich bei vielen aggressiven Krebserkrankungen der zunächst erfolgreichen Behandlung entzieht“, sagt Mads Daugaard vom Vancouver Prostate Cancer Centre in Kanada.

Besonders vielversprechend ist, dass Caspase 8 nur bei besonders aggressiven Krebszellen im Zellkern vorkommt und dort das Protein USP28 spaltet. Ließe sich die Interaktion von Caspase 8 und USP28 mit einem chemischen Wirkstoff hemmen, könnten die aggressiven Tumorzellen künftig sehr gezielt bekämpft werden. Das würde im Idealfall dazu führen, dass bei metastasierten Krebserkrankungen, bei denen heutige Tumortherapien versagen, möglicherweise das Wachstum und die Ausbreitung gestoppt werden könnten.

„Der Mechanismus spielt in einer Vielzahl von Krebsarten eine Rolle. Daher sind unsere Ergebnisse von besonders großer klinischer Relevanz“, sagt Stefan Beissert, Direktor der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Dresden. Gemeinsam mit spezialisierten Chemikern wollen die Wissenschaftler künftig an einem Wirkstoff forschen. Bis er Krebspatienten helfen kann, wären aber erst einmal umfangreiche Studien notwendig.