Dieses Haus droht jetzt einzustürzen

Jauernicker Straße 29, 30, 31 und Reichertstraße 8: Es sind vier Häuser am Stück, die am oberen Ende der Jauernicker Straße in einem bedauernswerten Zustand vor sich hindümpeln. Oder besser gesagt: Bis vorigen Freitag vor sich hingedümpelt haben. Am Freitagmittag nämlich hat es in der Nummer 31 mächtig gekracht.
„Im Gebäude kam es zu Deckeneinstürzen über mehrere Geschosse, die die Standsicherheit des Gebäudes erheblich gefährden“, erklärt Rathaussprecherin Sylvia Otto. Schlimmer noch: „Weitere Einstürze sind nicht auszuschließen“, sagt sie. Jetzt müsse ein Statiker kommen und sich die Situation ganz genau ansehen. Wegen der Einsturzgefahr sei eine Vollsperrung der oberen Jauernicker Straße erforderlich – auf unbestimmte Zeit. Die Stadt stehe schon mit dem Eigentümer in Kontakt. „Er hatte bereits eine Absperrung des Fußweges durchgeführt, zu weiteren Maßnahmen war er aufgefordert“, sagt Sylvia Otto.
Eine konkrete Einsturzgefahr war der Stadt allerdings nicht bekannt. Nun werde der Eigentümer unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen einleiten – und zwar unter Kontrolle der Bauaufsicht.
Der Einsturz reiht sich ein in eine immer länger werdende Liste vergleichbarer Fälle in Görlitz. Besonders dramatisch lief es Ende Februar 2017 in der Landeskronstraße 34 ab. In deren Fassade klaffte ein großes Loch, nachdem Teile der Hauswand abgestürzt waren. Die Trümmer lagen danach quer über die gesamte Straßenbreite verteilt. Verletzt wurde zum Glück niemand. Am Ende ließ die Stadt das komplette Haus abreißen, seither klafft in der vorher geschlossenen Häuserzeile eine Lücke.
Im Juli 2018 war es wieder die Landeskronstraße, diesmal das Haus Nummer 6 auf der anderen Straßenseite. Dort stürzte eine Geschossdecke ein. „Eine Scheibe und viel Staub wurden mit vollem Karacho nach draußen gedrückt“, sagte damals ein Augenzeuge: „Zum Glück war vor dem Haus gerade kein Mensch.“ Später ließ die Stadt die Häuser Bahnhofstraße 54 sowie Bismarckstraße 29 und später auch 18 in letzter Minute notsichern, bevor Gebäudeteile auf Gehweg und Straße stürzten.
In der Jauernicker Straße war bis dato noch nichts Vergleichbares passiert, aber die Stadt hatte auch diese Straße längst im Visier. Erst im Februar hatte Baubürgermeister Michael Wieler im SZ-Interview erklärt, die Stadt wolle den Schwerpunkt bei der Häuserrettung in drei Gebieten setzen, in denen der Bedarf besonders hoch ist: im Dreieck Brautwiesenstraße/Rauschwalder Straße/Cottbuser Straße, rund um die James-von-Moltke-Straße sowie rund um die Jauernicker Straße. Bereits im Frühling 2018 mussten die Wege vor den Häusern Jauernicker Straße 39 und 29 abgesperrt werden, zumindest bei der 29 lief damals die bauliche Sicherung. Jetzt sind nur zwei Häuser weiter die Geschossdecken zusammengebrochen. Das zeigt, dass die Stadt zwar ihren Fokus auf konkrete Straßenzüge haben kann – aber Einstürze auch dann nicht auszuschließen sind. Niemand steckt in solchen Gebäuden drin und kann hundertprozentig wissen, ob etwas demnächst einstürzen wird oder nicht.
Und die Nummer 31 zeigt das gleiche Dilemma wie die Häuser, bei denen es schon zuvor gekracht hatte: Es sind private Eigentümer, die ihre Häuser nicht in Schuss halten. Wieler hat schon mal grob überschlagen. Von 150 bis 160 schwierigen Gebäuden in Görlitz ist bei etwa 50 dringender etwas zu tun. Richtig kritisch ist der Zustand vielleicht bei zehn Häusern, wobei diese Zahl nur eine grobe Schätzung ist. Um diese Häuser zu retten, will die Stadt künftig gemeinsam mit dem Freistaat neue Wege gehen – über das „Instandsetzungsgebot“. Damit wird der Eigentümer verpflichtet, sein Gebäude zeitiger instand zu setzen. Tut er es nicht, macht es die Stadt. Dafür will der Freistaat zusätzliche Städtebau-Mittel zur Verfügung stellen. Für die Jauernicker Straße 31 kommt das zu spät. Hier muss mithilfe des Statikers geklärt werden, was überhaupt noch zu retten ist.
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