Von Annechristin Kleppisch
Erich Kraus fällt auf. Mit einem Stapel Büchern unter dem Arm steht er im Foyer der Unibibliothek Slub am Zelleschen Weg. Um ihn herum laufen Studenten. Junge Leute, mit iPhone in der Hand, den Rucksack lässig über die Schulter geworfen, den Laptop griffbereit für die nächste Seminararbeit. Erich Kraus hat diese Ausrüstung nicht dabei. Was ein Smartphone ist, weiß er nicht. Er benutzt so etwas nicht. Lieber Bleistift und Papier. Beides steckt in seinem Stoffbeutel. Mit seinen 76 Jahren hebt der Südvorstädter den Altersdurchschnitt deutlich. Und trotzdem hat er das gleiche Ziel wie die Studenten um ihn herum. Die unzähligen Bücher, Zeitschriften und Dokumente in der Slub.
Erich Kraus ist einer von vielen Senioren, die regelmäßig in die Bibliothek kommen. Knapp 50.000 aktive Nutzer sind dort registriert. Das sind Menschen, die mindestens einmal im Jahr etwas ausleihen. Der Großteil davon sind Studenten. Die Slub liegt direkt auf dem Campus der TU Dresden. Wichtige Literatur zum Lernen finden die jungen Leute hier. Aber auch immer mehr Senioren kommen. Drei Prozent der aktiven Nutzer sind über 60 Jahre alt. Tendenz steigend.
Erich Kraus ist einer von ihnen. Der promovierte Ingenieur stammt aus Böhmen und forscht nun über die Vertreibung der Deutschen aus Tschechien nach dem Zweiten Weltkrieg. „Wichtige Schriften für meine Recherchen finde ich hier“, sagt er. Seine Frau begleitet ihn manchmal. Beide forschen gern in der Slub. „Manchmal ist es aber zu laut und zu voll“, sagt er. „Dann gehen wir zwischen den Studenten unter.“
Und noch ein Problem haben sie. „Leider kommen wir mit der modernen Technik nicht so gut klar“, sagen beide. Denn mittlerweile gibt es fast für jeden Service ein Gerät: zum Ausleihen und Zurückgeben, zum Bezahlen der Gebühren und zum Scannen. Selbst wenn es um Bücher aus dem Magazin geht, ist dafür kein Mitarbeiter mehr notwendig. Ständig arbeitet die Slub an neuen Methoden, mit denen die Nutzer noch mehr allein machen können. Das spart Zeit. „Ist aber auch Hemmschwelle für viele Senioren“, sagt Birgit Heinrich, die in der Slub Führungen für ältere Nutzer anbietet. „Viele haben Berührungsängste.“
So auch beim „Bookeye“, das im ersten Untergeschoss steht. Mit dem Scanner werden Dokumente auf einem Bildschirm angezeigt und können als Datei gespeichert oder ausgedruckt werden. Ein großer Zettel liegt daneben. Darauf ist beschrieben, wie das Gerät funktioniert. Eigentlich einfach und praktisch. Auch eigene Bücher können so schonend gescannt werden.
Erich Kraus hat dennoch Probleme. Er starrt in den Bildschirm. Die Schrift kann er zwar gut lesen. Aber die Knöpfe sind zu klein. Der Senior erwischt den falschen und muss von vorn beginnen. Die Schaltflächen auf dem Bildschirm müssen stark gedrückt werden. Erich Kraus ist zu zaghaft. Nichts passiert. „Versuchen Sie es in Ruhe“, sagt Birgit Heinrich. Das hilft. Und dennoch. Noch ist der 76-Jährige nicht von der Technik überzeugt. Beim nächsten Mal nimmt er wohl wieder den normalen Kopierer oder fragt das Servicepersonal. „Das ist sowieso persönlicher. Da hat man mit Menschen zu tun“, sagt er.
Generell ist das kein Problem. Tagsüber sind mehrere Informationspunkte in der Bibliothek besetzt. Die Mitarbeiter helfen bei allen Fragen. „Trotzdem sollen alle Nutzer in der Bibliothek von den neuen Serviceangeboten profitieren“, sagt Mitarbeiterin Birgit Heinrich. Deshalb gibt es jeden ersten Donnerstag im Monat eine Führung speziell für Senioren. Dabei soll die Informationskompetenz geschult werden. Die will auch Erich Kraus wieder nutzen. Zwar wird er dann immer noch unter den Studenten auffallen. Aber kann vielleicht genauso schnell mit der Technik umgehen.