Von Norbert Portmann
In den Anfangsjahren der Eisenbahn war diese ein Transportunternehmen ohne ernsthafte Konkurrenz. Heute hat sich das Bild geändert und dafür gibt es die verschiedensten Ursachen, auf die hier nicht eingegangen werden soll.
Vor 150 Jahren setzten Politik und Wirtschaft auf das modernste Transportmittel. Heute ist es nicht anders. Nur haben sich bestimmte Prioritäten verschoben und die Politik hat weitgehend nicht mehr das Durchsetzungsvermögen hinsichtlich ihrer so oft laut verkündeten Bahnpolitik. Auch seitens der Deutschen Bahn AG wurden und werden Fehler gemacht.
Als noch keine Fehler wegen nicht vorhandener Eisenbahn gemacht werden konnten, rief der Kamenzer Stadtrat 1859 ein provisorisches Eisenbahnkomitee ins Leben. Und er verschickte Einladungen zu einer Generalversammlung ins „Goldne Band“ zu Gersdorf. Zu dieser Versammlung hatten sich 80 Personen eingefunden. Bürgermeister Eichel aus Kamenz gab den Anwesenden einen Überblick über den Stand der Eisenbahnfrage. Die Teilnehmer konstituierten sich zu einer Gesellschaft, die sich zur Aufgabe machte, eine Eisenbahn von Radeberg, Großröhrsdorf, Pulsnitz, Kamenz bis zur preußischen Grenze zu bauen. Noch auf dieser Versammlung wurde beschlossen, mit den Vorarbeiten baldigst zu beginnen. Die dazu benötigten Geldmittel von 1300 Talern sollten durch veräußerte Anteilscheine zu einem Taler beschaffen werden. Auch der Gedanke über eine zu gründende Aktiengesellschaft wurde geäußert.
Die Versammlung wählte Bürgermeister Eichel zum Direktor der provisorischen Eisenbahngesellschaft, sein Stellvertreter wurde der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Hoffmann. Mitglieder des Direktoriums wurden der Kamenzer Stadtkämmerer und Sparkassendirektor Moritz Hensel, der Kaufmann Mitterlein, aus Pulsnitz der Kaufmann Hempel und der Apotheker Keilhau, aus Großröhrsdorf die Fabrikanten Schöne und Boden und aus Radeberg der Bürgermeister Kuntzsch und der Stadtrat Lippold. Dem Direktorium wie den Anwesenden ging es darum, so schnell wie möglich für die erwähnten Ortschaften einen Bahnanschluss zu erhalten. Schon die zahlreiche Teilnahme von Fabrikanten bestätigte die Dringlichkeit, das moderne Verkehrsmittel schnell einzuführen. Gerade ihnen ging es darum, ihre Produkte effektiver transportieren zu können und konkurrenzfähiger auf dem Markt zu sein.
Die Zusammensetzung des Direktoriums zeigte, dass ihm die Bahnfrage eine äußerst ernste war. Die damalige wirtschaftliche Entwicklung stagnierte in den an der künftigen Bahnlinie liegenden Ortschaften. Benötigte Rohstoffe mussten umständlich von fernen Bahnhöfen und Abbaugebieten herangeschafft werden. Mit Fuhrwerken war es umständlich und uneffektiv. Die wirtschaftliche Entwicklung der Ortschaften an der seit 1848 bestehenden Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn bestätigte die Richtigkeit ihrer Forderungen und die Gründung eines provisorischen Eisenbahnkomitees.
Beschluss erst im Jahr 1868
Treibendes Mitglied des Direktoriums war der Kamenzer Stadtkämmerer und Sparkassendirektor Moritz Hensel. Schon zeitig hatte er erkannt, welche Bedeutung eine Sparkasse und eine Bahnverbindung für die Entwicklung der Stadt besitzen. Nur die langsam mahlenden bürokratischen Mühlen in der Landeshauptstadt Dresden, die falschen Prämissen in der Bahnpolitik der sächsischen Regierung und teilweise auch ungeklärte finanzielle Fragen verschoben den Bahnbau von Jahr zu Jahr. Erst 1868 fasste die sächsische Regierung einen entsprechenden Beschluss. Am 19. Oktober 1870 war Baubeginn für die Strecke Radeberg-Kamenz. In Betrieb ging sie schon knapp ein Jahr später, am 1. Oktober 1871.