Von Magdalena Rasch
Kamenz brauche sich nicht zu verstecken, so machte der Festredner Prof. Dr. Bernard Andreae das Publikum aufmerksam, denn schließlich stünde in Rom auch nur eine Kopie der berühmten Laokoon-Gruppe.
Neben der Lesung des schwer zu durchdringenden Romans von Uwe Saeger, „Laokoons Traum“, und der Ausstellung, in der die Laokoon-Gruppe satirisch in politische Karikaturen bis hin zu Lucky Luke-Comics Eingang fand, waren der Festvortrag über die Statue selbst und das von Männern dominierte Streitgespräch unverkennbar die beiden Höhepunkte des fast bis 23 Uhr andauernden Laokoon-Festes.
Von Rom nach Kamenz
Prof. Andreae, der extra aus Rom für diesen Tag nach Kamenz angereist war, stellte die komplexe Geschichte der Plastik anhand eines Textes des römischen Gelehrten Plinius kunsthistorisch dar und fand heraus, dass der Begriff „statuariae artis“ nicht mit Bildhauerkunst zu übersetzen, sondern als Technik, Bronze zu gießen, zu verstehen sei. Wiederum bedeutet diese Erkenntnis, dass die aus Marmor geschaffene Laokoon-Plastik in Rom kein Original sein kann und ein griechisches Vorbild aus Bronze hatte. „Rom selbst ist froh über diese Kopie“ und, dass das römische Museum, in der Laokoon steht, jeden Tag 20 000 Besucher verzeichnet, hält Prof. Andreae nicht davon ab, mit einem Lächeln vorauszusagen: „Jetzt könnten es jeden Tag fast genauso viele in Kamenz sein!“
In der öffentlichen Diskussion zwischen dem Philologen und Herausgeber der historisch-kritischen Werkausgabe Lessings, Prof. Dr. Conrad Wiedemann, dem Filmkritiker Bert Rebhandl, Prof. Andreae und dem für das Feuilleton der Südeutschen Zeitung tätigen Journalisten Dr. Lothar Müller aus Berlin, ging es zum Teil hochintellektuell zu, wobei immer wieder der Bezug zur Gegenwart hergestellt wurde, beispielsweise mit der Frage, wie die Darstellung von Schmerz - wie bei Laokoon - heute im Film funktioniert. Bei Lessing und in der aufgeklärten Epoche überhaupt war die Grenze der klassizistischen Kunst bereits erreicht, wenn das Gefühl des Ekels auftrat. Die teilweise grausamen Szenen im Pergamon-Altar sprechen allerdings dagegen und aus der heutigen Sicht sind antike Themen (nicht nur im Kino) auch noch präsent, denn auserwählte, historische Bilder, so Prof. Wiedemann, geben immer über etwas Auskunft, und zwar „jedem Menschen in jeder Zeit.“
Theaterspektakel als Abschluss
Den Abschluss bildeten das Theaterspektakel mit circa 13 Meter langen Schlangen aus elastischem Papierstoff und einer Feuershow, sowie zwei szenische Lesungen. Während der fesselnden Rezitation des zweiten Gesangs der Schillerschen „Aeneis“-Übersetzung Vergils durch den Schauspieler Ulrich Matthes, wurde die Laokoon-Plastik je nach Handlung in verschieden farbiges Licht getaucht.
Der von Heiner Müller bearbeitete „Philoktet“-Stoff nach gleichnamiger Sophokleischen Tragödie, szenisch vorgetragen von Dr. Michael Wieler und Sebastian Ritschel, kann als eine Parabel auf tragische Konflikte der kommunistischen Politik oder als Antikriegsstück deutbar sein, weshalb dieser Inszenierung ein kurzer Einführungsvortrag zugutegekommen wäre.
Friedrich Schorlemmer wies bereits bei den letzten Kamenzer Lessingtagen darauf hin, dass in Lessings Werk sehr viel mehr steckt, als nur beispielsweise der allgemein bekannte Nathan-Stoff, so dass sein Rat beherzigt wurde und nun sogar eine Laokoon-Statue nicht nur in Rom, sondern auch in der Lessingstadt zu sehen ist.