Döbelns jüngster Corona-Held

Döbeln. Er ist Döbelns jüngster Coronaheld. Jeden Tag um 19 Uhr steht der zwölfjährige Till Niemann in der Tür des Hauses seiner Eltern, die Elektrogitarre vor dem Bauch und den Verstärker daneben. Der Song of Joy, die Ode an die Freude, ist immer dabei, wenn der Gymnasiast für sein Publikum in die Saiten greift. In die rockigen Melodien, die Till anstimmt, textet er auch mal ganz spontan die Regeln für seinen Auftritt: „Die Zahlen steigen wieder. Deshalb muss ich alle auffordern, zwei Meter Abstand einzuhalten.“ Till ist für die Corona-Aktion der Sparkasse vorgeschlagen worden und hat einen Einkaufsgutschein des Döbelner Stadtwerberings bekommen.
Zehn, 15 Leute finden sich jeden Tag vor dem Haus am Wilhelm-Busch-Weg auf dem Geyersberg ein. Markierungen auf der Straße sollen für den nötigen Abstand sorgen. „Zwischenzeitlich ist uns die Sache auch mal etwas heiß geworden, als wir gehört haben, dass die Polizei Grillpartys aufgelöst hat“, gesteht Mutter Heike Niemann. „Die Nachbarn sind dann auf die Idee gekommen, auf der Straße Boxen für die Zuhörer zu markieren.“
Etwa Mitte März hatte Till sein erstes tägliches Konzert gegeben. Damals gingen die Bilder von Leuten um die Welt, die überall Musik spielten, um den Leuten in der Corona-Krise Mut zu machen. „Ich wollte in den Alltag der Leute mal ein bisschen Abwechslung reinbringen, damit sie nicht die ganze Zeit zu Hause herumsitzen müssen“, sagt Till. „Die Leute kommen sogar, wenn es regnet.“ Till will seine abendlichen Konzerte noch eine Weile durchhalten. Vielleicht solange, bis regulär die Schule wieder beginnt. Denn derzeit ist der Sechstklässler wie alle seiner Mitschüler zu Hause.
Für den Gymnasiasten sind die Konzerte auch zusätzliche Übungseinheiten. Gitarre spielt er, seit er fünf Jahre als ist. Er lernt klassische Gitarre an der Döbelner Musikschule. Und das sogar in Coronazeiten. Denn Gitarrenlehrer Andràs Toth gib seine Unterrichtseinheiten via Skype im Internet, zwei- bis dreimal in der Woche, erzählt Till. Darüber hinaus nimmt er bei einem anderen Lehrer noch Stunden in Elektrogitarre. Till spielt seit der 5. Klasse auch in der Schulband des Lessing-Gymnasiums. Eigentlich sei er dafür zu jung, erzählt er. „Die suchten gerade einen Gitarristen. Ich habe mich mit ein paar Tonleitern gerettet, die kein anderer konnte.“
Auch fürs Schwimmen kann sich der Zwölfjährige begeistern. Er ist Mitglied beim Roßweiner Schwimmverein und außerdem bei der Döbelner Wasserwacht aktiv. Dort will er das Rettungsschwimmabzeichen in Bronze abzulegen. Allerdings sind derzeit alle Aktivitäten der Wasserwacht auf Eis gelegt.
In die Schule kann der Sechstklässler derzeit noch nicht. Seine wöchentlichen Aufgaben bekommen Till und seine Mitschüler im Internetportal „Lernsax“. Eine Variante für den Unterricht zu Hause, in die sich Schüler und Eltern von jetzt auf gleich ohne Vorbereitungen einarbeiten mussten. Sie habe aber den Eindruck, dass auch manche Lehrer damit etwas überfordert sind, meint Heike Niemann.
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