Dörfler ergreifen seltener Partei

Meißen. Die Großgemeinde Klipphausen an der Autobahn 4 ist ein typisches Beispiel. An erster Stelle auf der Liste der Vorschläge für die Kommunalwahl am 26. Mai steht zwar immer noch die CDU. Auf dem zweiten Platz allerdings folgt bereits die erste von insgesamt vier parteilich ungebundenen Gruppen. Ein Trend, der so schon bei vergangenen Wahlen zu beobachten war und nun offenbar an Dynamik gewonnen hat – vor allem auf den Dörfern.
Nachbarn machen Druck
Für die Kreischefin der Partei Die Linke, Uta Knebel, kommt das nicht von ungefähr. Sie kennt mehrere Mitglieder oder Sympathisanten ihrer Partei, die ursprünglich antreten wollten. Dann allerdings gaben ihnen Nachbarn, Geschäftspartner oder Kunden zu verstehen, dass sie dies nicht tolerieren würden. Aufgrund solcher Anfeindungen hätten sich die Pläne zerschlagen. Dieses Phänomen beschränke sich nicht auf die Sozialisten. Sie wissen von Christdemokraten, welche Ähnliches erfahren mussten, so Uta Knebel. Offenbar lehnten Teile der Bürgerschaft mittlerweile alle herkömmlichen Parteien ab.
Kompromisse werden nötig
Die Folgen der Kleinteiligkeit für die Arbeit in den Kommunalparlamenten beurteilt die Linken-Politikerin positiv. „Man muss sich in der Sache verständigen“, sagt sie. Es gebe keinen dominierenden Fraktionen, die mit ihrer Übermacht Beschlüsse durchsetzen könnten. Negativ sieht sie die Konzentration auf Ortsteile oder spezielle Interessen. Das Wohl der gesamten Kommune sollte im Auge behalten werden.
Prominente Kandidaten ziehen
Kommunalwahlen sind Personenwahlen. Dies schlägt sich offenbar schon beim Besetzen der Listen nieder. „In Kommunen, in welchen die FDP prominente Vertreter der Kommunalpolitik stellt – wie zum Beispiel in Lommatzsch und Meißen – waren wir sehr erfolgreich darin, Kandidaten zu gewinnen“, so der FDP-Kreisverbandsvorsitzende Maximilian Schikore-Pätz. Hinzu komme, dass die Liberalen durch das Verpassen der Fünf-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl 2014 Unterstützerunterschriften sammeln mussten.
Dieser zusätzliche Aufwand sei abschreckend. So habe die FDP in Weinböhla eine gute Liste aufgestellt. Diese sei aber nicht zur Wahl zugelassen worden, weil die nötigen Unterschriften fehlten. Dass die potenziellen Unterstützer ihre Unterschrift nicht auf Listen abgeben können, sondern laut Kommunalwahlordnung dies direkt im Rathaus oder Bürgerbüro tun müssen, stellt nach Ansicht von Schikore-Pätz gerade im ländlichen Raum eine große Hürde dar.
Auf die eigenen Stärken konzentrieren
„Wir wissen um die weißen Flecken bei der Präsenz der Bündnisgrünen im Landkreis“, sagt Kreisverbandschef Thoralf Möhlis. Gerade deshalb sei es sinnvoll, sich auf Schwerpunkte zu konzentrieren, um dort zu punkten, wie etwa in Radebeul. In Meißen dagegen hat sich Parteimitglied und Stadtrat Heiko Schulze dafür entschieden, für die Bürgerinitiative zu kandidieren. Das werde akzeptiert. Der erste Listenplatz für den Bündnisgrünen sei gleichzeitig ein Kompliment für seine bisherige Arbeit im Stadtrat und für die Grünen als Partei, so Thoralf Möhlis.
Nicht in Parteigrenzen denken
Vom Bundestag in den Gemeinderat: Die SPD-Unterbezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich kandidiert am 26. Mai für den Gemeinderat Klipphausen. Wohnhaft in Gauernitz, beschäftigt sie das Thema Schulwege. Der Klipphausener Ortsteil wird durch die viel befahrene Bundesstraße 6 geteilt, was zu Problemen führt. Die Sozialdemokratin betrachtet das Erstarken freier Wählergruppen als Gewinn für die Demokratie. Generell sei es zu begrüßen, wenn sich Bürger für Politik interessierten und die Geschicke ihrer Kommune mitbestimmen wollten. Trotzdem lasse sie es sich nicht nehmen, dafür zu werben, dieses Engagement auf den Listen der SPD zu zeigen. „Ich denke, die Kandidatur von Frank Richter für das Meißner Oberbürgermeisteramt hat noch einmal deutlich gemacht, wie offen wir für Menschen sind, die unsere Grundwerte teilen“, so Susann Rüthrich.
Mit gutem Namen für die Sache
Auch wenn die Prognosen für die sächsische Landtagswahl der CDU herbe Verluste voraussagen: Bei den Kommunalwahlen treten die Christdemokraten nach Aussage von Kreisverbandschef Dr. Ulrich Reusch in allen Kommunen an. „Die CDU hatte keine Probleme, zumal in allen größeren Kommunen, Kandidaten zu finden“, so Reusch. Ihre Mitglieder identifizierten sich mit der Partei und stellten sich für die Listen zur Verfügung, selbst wenn aufgrund der Platzierung kein Mandatsgewinn zu erwarten sei. „Die Mitglieder geben ihren guten Namen für die Sache“, so Reusch.
Dörfer permanent vernachlässigt
Unterschiedlich fallen die Analysen der Kreisverbandschefs aus, was die Stärke freier Wählergruppen in den Dörfern anbelangt. Uta Knebel von der Linken interpretiert dies als Reaktion auf die andauernde Vernachlässigung des ländlichen Raumes durch alle Parteien. Christdemokrat Ulrich Reusch verweist auf die Abhängigkeit von Aktiven vor Ort. Entscheidend sei, ob es gelinge, die „kritische Masse“ eines aktiven Kerns zu erhalten. Der Liberale Maximilian Schikore-Pätz sieht in der Parteienskepsis ein allgemeines Problem, welches einer erhöhten Aufmerksamkeit bedürfe.