Von Cornelia Sommerfeldund Frank Seibel
Hilfe, die Ufos kommen! Eigentlich war es dann doch nur ein Hubschrauber, der gestern Mittag den Marienplatz in wildes Schneegestöber tauchte. Das Flugobjekt hatte in einem schwarzen Sack Fracht geladen, die auf den zuvor abgesperrten Platz niederging – also quasi ein „Rosinenbomber“. Kleine, weiße Plastiktüten mit roter Schrift regneten auf Görlitz nieder: ein Gruß aus Regensburg, der Mitbewerberin um den Titel „Kulturhauptstadt 2010“.
„Ein charmanter Überraschungscoup“ teilt das Projektteam der Regensburger Kulturhauptstadtbewerbung auf seiner Internetseite mit. Die Hubschrauberaktion mit insgesamt 2010 Tüten galt nicht nur Görlitz, sondern auch allen anderen neun Mitbewerberstädten in ganz Deutschland, als Gruß zum Valentinstag.
Woher die Botschaft kam, schien die Schaulustigen in Görlitz zunächst weniger zu interessieren. Im Handumdrehen waren die Tüten aus dem Schnee eingesammelt. „Die Leute kamen nur so geströmt aus allen Ecken“, konnte Carola Fürll aus dem Weingeschäft am Marienplatz beobachten. „Ganz schnell gab‘s hier eine Menschentraube.“ Ein Geschenk wird schließlich gern genommen. Oberfränkische Brezeln, Würstchen und Senf, ein Herz aus Fruchtgummi und Werbematerial verbarg sich in den Überraschungstüten.
Bernd Scholz, Inhaber des Schmuck-Ecks, konnte sich ein Exemplar sichern. „Ich dachte zuerst, die Sperrung des Platzes geschieht wegen der Eisglätte. Dann aber war so ein Krach draußen. Der Hubschrauber ging etwa auf zehn Meter runter und hat dann die Tüten abgeworfen.“
Zur Aktion sind die Meinungen geteilt. Mehrere Görlitzer vermuten, die bayrischen Mitbewerber hätten zuviel finanzielle Mittel übrig. Wieviel die Hubschrauberaktionen in neun Städten gekostet haben und wer sie bezahlt, ist unklar – im Regensburger Projektbüro nahm niemand den Hörer ab.
Dass es jedoch teuer gewesen sein muss, ist Christa Plaut klar. „Wir haben hier nicht so viel Geld“, sagt die Görlitzerin.
„Jede Stadt muss sich so gut präsentieren, wie sie kann. Wer die besten Argumente hat, gewinnt“, sagt Bernd Scholz. „Es ist zwar Konkurrenz, aber das ist ja im Prinzip wie überall im Geschäft.“ Dass sich aber eine andere Bewerberstadt in Görlitz einmische, findet Scholz bedenklich. Vor allem das mitgelieferte rote Werbebüchlein unter dem Titel „Regensburg 2010 Punkt für Punkt“ sei „nicht angebracht“. Den Rest, also die bayrischen Spezialitäten, findet Scholz dagegen „nicht so tragisch“. Trotzdem stellt er klar: „Das ist nicht im Sinne von Görlitz.“
Auch im Kulturhauptstadt-Büro reagierte man erst mal ein wenig verschnupft und erinnerte ans Friedensabkommen der Bewerber untereinander. Nach ein paar Stunden aber war der Blick auf die Dinge schon abgeklärter: Eine irre teure Aktion mit mäßigem Erfolg, so stellte sich das für die Geschäftsstelle am Nachmittag dar. Denn da Regensburg auch die Medien nicht vorab informiert hatte, bekamen nur ein paar Dutzend Menschen – mitten in den Ferien – die Aktion überhaupt mit.
Da die Regensburger den Görlitzern ja nichts Schlimmes getan haben, will Kai Grebasch, Sprecher des Kulturhauptstadtbüros, die Aktion auch nicht als Verletzung des Friedensabkommens werten. Viel wichtiger ist ihm die große Resonanz auf die Präsentation einer eigenen Ausstellung in der Sächsischen Landesvertretung in Berlin. Mehr als 350 Gäste und ein begeisternder Ministerpräsident Georg Milbradt – das, glaubt man in der Görlitzer Geschäftsstelle, wiege im Ernstfall mehr als ein kurzer, immens teurer Gag.Auf ein Wort