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Dorfidylle in Gefahr?

Die Klein Partwitzer sehen dem Seenland-Festival mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis entgegen.

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Von Rainer Könen

Und jetzt auch noch die Boomtown Rats. Vor 27 Jahren ging die Band um Bob Geldorf auseinander, und nun gibt es ein Comeback. Auf ihrer Welttournee ist bisher nur ein einziges Konzert in Deutschland geplant: beim Seenland-Festival am Partwitzer See. Am Sonntag, 7. Juli, kann man diese legendäre Gruppe hören und sehen, vor dem Auftritt der Toten Hosen.

Boomtown Rats, die Toten Hosen, Ich + Ich, Die Fantastischen Vier und dazu noch die Koryphäe der globalen DJ-Szene, David Guetta. Es wird an den drei Festivaltagen (5. bis 7. Juli) ganz schön was los sein. Und parallel dazu findet noch die Seenlandmesse statt. Doch was halten eigentlich die Klein Partwitzer von dieser gigantischen Open-Air-Veranstaltung? Denn eines steht fest: Wenn das Wetter mitspielt und die in der Region lebenden Menschen vom Festivalfieber erfasst werden, könnte das eintreten, worauf der Veranstalter, Lausitzhallenchef Sven Tietze, hofft: dass dann bis zu
40 000 Menschen auf das Festivalgelände strömen. An jedem der drei Tage.

„Ich denke, dass es sogar weitaus mehr sein werden“, sagt Thomas Zschorlich. Er ist der Ortsvorsteher von Klein Partwitz und gibt sich in Sachen Seenland-Festival zurückhaltend. Er rechnet mit weit über 50 000 Besuchern. Täglich. Und nicht nur er fragt sich, wie diese Menschenmassen auf das Festivalgelände gelangen sollen. Auf der einzigen Zufahrtsstraße zum See werde es sicher mächtig eng werden.

Produktionsleiter Christof Matthiesen wehrt Zschorlichs Bedenken ab. „Wir bemühen uns, keine Rückstaus auf den Straßen zu haben, die die Anwohner brauchen.“ Es werde derzeit, so Matthiesen, „viel Hirnschmalz investiert, um die Belastungen so gering wie möglich zu halten“. Ortsvorsteher Zschorlich fragt sich aber auch, ob die Leute, die aus dem In- und Ausland anreisen, sich an den drei Tagen nur auf dem Festivalgelände aufhalten werden.

Eher nicht. Nach Einschätzung von Christoph Pech werden die mit großer Sicherheit die Umgebung erkunden wollen. Pech ist Inhaber des „Partwitzer Hofs“. Der Gastwirt hat selbst schon Konzerte veranstaltet, besucht hin und wieder Rockfestivals und weiß genau „wie solche Massenveranstaltungen ablaufen“. Da müsse man eine gut eingespielte Organisation haben, um alles im Griff zu haben. Als er aus den Medien erfuhr, wie Tietze dieses Festival organisieren will, regte sich bei dem Gastronom mehr als nur leichte Skepsis. Er wünsche dem Lausitzhallenchef wirklich, dass diese Massenveranstaltung ein „voller Erfolg“ werde. Aber er glaube nicht daran. Die Vorbereitung für das Mega-Event sei einfach zu kurz. „Wie dieses Festival aufgezogen wird“, sagt er, „das empfinde ich als sehr laienhaft“. Ganz so drastisch formuliert es Dietmar Koark nicht. Aber der Elsterheider Bürgermeister findet auch, dass normalerweise solche Dinge länger vorbereitet werden müssen. „Solange das Sicherheits- und Verkehrskonzept nicht steht, sind vom Veranstalter noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen“, sagt er.

Wer sich in diesen Tagen bei den Bewohnern des Ortes umhört und wissen will, wie die zu diesem Ereignis stehen, erfährt, dass man sich mit dem Festival, dem damit zusammenhängenden Rummel noch gar nicht so richtig beschäftigt. „Wir schauen einfach mal, was da passiert“, meint einer. Und ein anderer glaubt, dass „wir davon bestimmt nichts mitbekommen werden“. Die Menschen hielten sich doch nur auf dem Festivalgelände auf und überhaupt, nach „drei Tagen ist der ganze Spuk doch vorüber“, ist da zu hören. Wenn es Probleme gebe, treffe es wohl nur diejenigen, die in Partwitz Siedlung lebten, so die Meinung einiger Bewohner des Dorfes. Nach Auffassung von Bürgermeister Koark wird der Elsterheider Ortsteil von dem ganzen Rummel nicht viel mitbekommen. „Wenn sich niemand der Besucher verfährt, wird es keine direkte Beeinflussung von Klein Partwitz geben.“ Er selbst hoffe darauf, dass die gesamte Veranstaltung einen hohen Organisationsgrad haben werde. Denn eines sei ja auf jeden Fall klar: „Wenn dieses Event nicht so abläuft, wie es ablaufen soll, leidet nicht nur der Veranstalter, sondern die gesamte Region.“

Dem Veranstalter eine Chance geben

Vor einigen Jahren fand im Partwitzer Reiterhof eine Voltigier-Meisterschaft statt. Knapp 9 000 Besucher seien gekommen, erzählt Karin Mietke, die Besitzerin des Reiterhofes. In Sachen Unterbringung und Verpflegung habe alles gut geklappt. Man verfüge somit über das Know-how, Veranstaltungen mit Tausenden von Besuchern zu managen, sagt sie. Sie blickt dieser Open-Air-Veranstaltung jedenfalls mit Spannung entgegen. „Dadurch wird das Lausitzer Seenland einen riesigen Popularitätsschub erhalten.“ Sie freut sich darauf, dass es am ersten Juli-Wochenende rings um den Partwitzer See lebhaft zugehen wird. „Denn bisher war es hier doch immer ziemlich ruhig.“ Sie weiß, dass es im Lausitzer Seenland nicht wenige gibt, die diesem Event skeptisch gegenüberstehen. Aber sie findet, dass man dem Veranstalter auf jeden Fall eine Chance geben solle. Allerdings müsse man ein „vernünftiges Sicherheitskonzept“ für das Festival haben.

Die Gastronomen des Ortes vermissen so eine Art Abstimmungskonzept. Niemand wisse bisher, worauf man sich einstellen müsse, so Hofwirt Christoph Pech. Bei Konrad Klammer klingelte in den zurückliegenden Wochen das Telefon häufiger als sonst. Ihm gehört die „Pension am Park“. Für die Festivalwoche sind seine vier Zimmer belegt. Als er jüngst erfuhr, dass Zehntausende von Menschen erwartet werden, da sei er doch zusammengezuckt. „So viele? Ich dachte, es würden höchstens 4 000 kommen.“ Wo sollten denn diese Massen nächtigen? In Klein Partwitz gebe es doch nur rund 30 Übernachtungsplätze, und die seien bereits ausgebucht.

Lausitzhallenchef Sven Tietze will in den folgenden Wochen, wenn möglich noch im Mai, für Aufklärung sorgen. In einer Inforunde wird er den Klein Partwitzern berichten, auf was sie sich einstellen müssen. Christoph Pech findet, dass diese Inforunde viel zu spät angesetzt ist: „Ich kann als Gastronom, auch aus logistischer Sicht, kaum noch reagieren.“ Welche Erkenntnisse dieser Gesprächsabend auch bringen mag, angesichts der angekündigten Menschenmassen und dem damit sicher unvermeidlichen Stress für die ruhegewöhnten Einwohner rät Ortsvorsteher Zschorlich seinen Partwitzern, es so zu machen, wie er: „Ich bin im Urlaub“.