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Drei Schwarzstorch-Paare im Nationalpark

Wenn die Welt irgendwo zu Ende sein würde, dann wäre das hier vermutlich eine Stelle. So sieht es auch Ulrich Augst, im Nationalpark Sächsische Schweiz für den praktischen Arten- und Biotopschutz verantwortlich.

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Von Lars Kühl

Wenn die Welt irgendwo zu Ende sein würde, dann wäre das hier vermutlich eine Stelle. So sieht es auch Ulrich Augst, im Nationalpark Sächsische Schweiz für den praktischen Arten- und Biotopschutz verantwortlich. Auf einem alten Forstweg, der nicht markiert und nur Insidern wie ihm bekannt ist, bahnt er sich mit seinem Allrad-Fahrzeug den Weg durch den Wald irgendwo im Brand-Gebiet. Stopp! Von hier aus bitte nur zu Fuß weiter. Durch unwegsames Gelände, dichtes Gestrüpp, über morsche, umgeknickte Stämme, immer weiter ins Nirwana.

Dann ist auf dem urwaldgleichen Felsplateau tatsächlich Schluss, die Gesteinswand fällt steil ab. Wer sich hier nicht an einem Bäumchen festklammert, stürzt unweigerlich in die Tiefe. Was sich dem Vorsichtigen aber beim zögernden Blick 20Meter hinab bietet, ist reges Leben: Zwei hennengroße Schwarzstorch-Junge liegen in ihrem Nest. Auf 42 bis 45Tage schätzt Augst den Nachwuchs der seltenen Vögel, die im Nationalpark so besonders geschützt sind, dass ihre Brutstätten geheim gehalten werden.

Wenn die Schwarzstörche Mitte März aus ihren Winterquartieren in der zentralafrikanischen Sahara kommen, geht Augst sie an den ihm bekannten Stellen suchen. Die Männchen seien in der Regel etwas eher da. Es komme vor, dass sie um begehrte Horste „tanzen“. Denn so wirken die Kämpfe mit Artgenossen ohne Körperkontakt. Ob sich das Männchen dann am Nistplatz mit dem selben Weibchen vom Vorjahr paart, entscheide sich immer wieder neu, die Schwarzstorch-Damen seien nicht monogam. „Außerdem kann es sein, dass die Partner aus der Sächsischen Schweiz in Afrika 400Kilometer voneinander entfernt lebten.“

Einmal vereint, bauen die Altvögel die besetzten Nester jedes Jahr höher. „Neue Horste werden oft erst nach zwei bis drei Jahren gefunden“, sagt er. „Es ist unheimlich schwer, die zu entdecken.“ Manchmal kehren die Vögel aber auch an frühere Stellen zurück. „Wir haben schon Horste gehabt, da war der Schwarzstorch zehn bis 15Jahre nicht, und auf einmal saß er wieder drauf, weil es ihm hier wieder gefällt“, sagt der 52-Jährige.

Bis Mitte August bleiben die Vögel jedes Jahr in der Sächsischen Schweiz. Die Brutgebiete sind dann für Kletterer gesperrt und werden von forstwirtschaftlichen Eingriffen verschont. „Auch wir halten unsere Kontrollen so gering wie möglich“, sagt der Sebnitzer.

Eine Beringung wie in der Böhmischen Schweiz führt Augst nicht durch. Trotzdem zählt er zur Zeit drei Paare im hiesigen Nationalpark. Im Durchschnitt erwarten die Schwarzstörche drei bis vier Jungvögel. Aber dieses Jahr stehe es mit dem Nachwuchs nicht so gut. Die beiden unterhalb der Felskante seien die einzigen. Sie haben noch ein helles Federkleid, die metallisch glänzenden, schwarzen Federn kommen erst noch. Bis die Vögel auswachsen, dauert es eine Weile.

Dabei sind die Störche gar nicht so groß, wie man allgemein denkt. Schon beim Schätzen der Schnabellänge vertun sich viele. 30Zentimeter? Augst winkt lachend ab: „17Zentimeter sind es beim Schwarzstorch.“ Beim Weißstorch sei der Schnabel nur unwesentlich länger. Auch mit einer Höhe von 70Zentimetern unterbieten die Störche gängige Vorstellungen. Dabei ist der Schwarz- vom Körperbau her filigraner als der Weißstorch. „Er muss ja durch den Wald fliegen“, erklärt Augst.

Was die Schwarzstörche in der Sächsischen Schweiz vorfinden, ist nahezu ideal. „Es gibt sichere Ecken und versteckte Brutplätze“, sagt Augst. Und außer den wenigen Fischottern und Graureihern gebe es auch keine Fressfeinde an den fischreichen, sauberen Bergbächen, wo sie sich hauptsächlich ernähren. Ab und an verdrücken die Schreitvögel dabei sogar etwas Gras, „um zum Beispiel die Gräten zu verpacken“, erklärt Augst. Beim Jagen breiten Schwarzstörche wie auch andere Vögel die Flügel aus, um Schatten auf das reflektierende Wasser zu werfen. Gesehen habe er das Naturschauspiel schon, nur ein Foto ist Augst noch nie gelungen.

Der nächste Beitrag erscheint am 31. Juli.

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