SZ +
Merken

Dreiste Diebestour

Zwischen ihren Beutezügen kommt den Freitaler Angeklagten nur eines ungelegen: eine Gerichtsverhandlung.

Teilen
Folgen

Von Jürgen Müller

Die Gerichtsverhandlung in Meißen vor einem Jahr beginnt mit 20 Minuten Verspätung. Der Angeklagte G. ist noch nicht da. Er hat vor dem Gerichtstermin noch etwas Wichtigeres zu tun, was damals freilich niemand ahnt. Auf dem Weg nach Meißen macht der Freitaler in Radebeul halt. Im dortigen Kaufland soll er drei Flaschen Whisky und Kosmetikartikel für insgesamt 216 Euro gestohlen haben.

Anschließend fährt er zur Verhandlung, wird dort wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Um 14 Uhr ist die Verhandlung beendet. Um 14.50 Uhr wird der Angeklagte im Meißner Kaufland erneut beim Klauen erwischt. Gemeinsam mit seinem Kumpel B. hatte der 30-Jährige Kosmetikartikel für rund 400 Euro eingesackt. Allerdings werden sie dabei gestört, von einem Ladendetektiv beobachtet. Die ganze Aktion wird auch gefilmt. Der Detektiv sieht, wie G. wahllos Kosmetikartikel in einen Beutel steckt. Dann geht er zu seinem Kumpel, der in der Getränkeabteilung mit einem Rucksack wartet. Blitzschnell wird das Diebesgut in den Rucksack verfrachtet. Doch als der Täter vom Detektiv kontrolliert wird, ist der Rucksack leer. Er hatte die Waren zuvor in einer anderen Abteilung zwischen Konserven versteckt. Nicht nur die Arbeitsweise, sondern die beiden Angeklagten sind dem Detektiv bestens bekannt. „Diese beiden Herren kennt jeder Ladendetektiv“, sagt der Mann.

Später werden im Auto der Angeklagten auch drei Whisky-Flaschen gefunden. Anhand der Scanner kann nachgewiesen werden, dass sie aus dem Kaufland in Radebeul stammen. Am Tag zuvor standen sie noch im Regal. Über den Scanner an der Kasse sind sie nicht gezogen worden.

Der Grund für die Diebstähle liegt auf der Hand. Beide sind seit Jahren heroinabhängig, wollen die Waren verkaufen, um an Geld für Rauschgift zu kommen. Kosmetikartikel und Schnaps sind begehrte Tauschware. Typisch ist auch, dass die Täter außerhalb ihres Wohnortes, in einem anderen Landkreis oder gar Bundesland stehlen. Sie hoffen wohl darauf, dass die Staatsanwaltschaften schlecht oder gar nicht vernetzt sind.

B. will nun die ganze Schuld auf sich nehmen. „Ich war es alleine“, sagt er. Zwar ist auch er vorbestraft, sitzt wie sein Kumpel gerade eine längere Haftstrafe ab, allerdings wurde er zumeist wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verurteilt. Anders als der Mitangeklagte, der erst im vorigen Jahr vom Amtsgericht Dresden wegen Diebstahls eine unbedingte Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten aufgebrummt bekam.

Staatsanwältin Claudia Jentzsch fordert wegen gemeinschaftlichen Diebstahls für B. elf Monate, für G. ein Jahr und vier Monate Haft, jeweils ohne Bewährung. Letzterem kreidet sie vor allem an, dass er sich unmittelbar nach einer Gerichtsverhandlung erneut die Taschen füllte. Der Verteidiger sieht die Sache etwas anders. Den Diebstahl der Whisky-Flaschen, die sich im Auto fanden, sieht er nicht als erwiesen an. Niemand habe die Angeklagten bei diesem Diebstahl beobachtet. Er fordert hier Freispruch. Bei den anderen Diebstählen sieht er einen „Rücktritt vom Versuch“. Die Angeklagten hätten ja die Gegenstände zurück in ein Regal gestellt. Er hält jeweils sieben Monate für angemessen.

Richterin Ute Wehner spricht beide Angeklagte zwar wegen der Spirituosen frei. Fest stehe, dass der Alkohol gestohlen wurde, aber nicht von wem. Täterin hätte ebenso die Ehefrau eines der Angeklagten sein können, die dabei war, sagt sie. Bei den anderen Taten sieht die Richterin gewerbsmäßigen Diebstahl. G. muss für ein weiteres Jahr und einen Monat ins Gefängnis, B. bekommt weitere sieben Monate. Und es liegen schon wieder neue Anklagen vor. Wegen Diebstahls.