Die letzte Ruine

Zwischen Bäumen am Trinitatisplatz ragen Mauern wie Scherenschnitte in die Höhe. Seit 75 Jahren steht die Ruine hier. Am 13. Februar 1945 brannte sie nach dem Bombardement auf Dresden aus. 51 Jahre vorher, im Jahr 1894, hatte die Gemeinde die Trinitatiskirche in der Johannstadt eingeweiht.
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Als die Reste der zerstörten Kirche 1960 abgerissen werden sollte, retteten sie Gemeindemitglieder. Sie entwickelten ein Projekt für einen Gottesdienstraum und eine Tagungsstätte. Mit Händen, Karren und Schaufeln transportierten sie Tonnen von Schutt aus dem Gebäude, ohne Gerüst sicherten sie Mauerreste und den Turm. Damit erhielten sie auch die Uhr und das Geläut. Das Gemeindehaus nebenan wurde wieder aufgebaut und beherbergt seither einen Kindergarten. In der gesicherten Ruine fanden Konzerte und Gottesdienste unter freiem Himmel statt. Seit 1994 gibt es im Hauptturm Räume für offene Jugendarbeit. Der 1996 gegründete Förderverein organisiert kulturelle Veranstaltungen, jeden Mittwoch verteilt hier die Dresdner Tafel Lebensmittel an Bedürftige.
Auch die Ruine der St. Pauli Kirche am Königsbrücker Platz konnte nach der Zerstörung von 1945 gerettet werden, sie wird heute als Theater genutzt. 2012 erhielten die alten Mauern eine Dach- und Seitenverglasung, die vor weiterem Verfall und Gäste vor der Witterung schützen. Für die schwer beschädigte Lukaskirche in der Südvorstadt entstand Ende der 1950er-Jahre die Idee, das Gebäude für Orchesterproben und Schallplattenaufnahmen zu nutzen. Von 1964 bis 1972 wurde die Kirche zum Tonstudio umgebaut. Reste der Zinonskirche an der Nürnberger Straße existiert ebenfalls noch. Seit 1966 dient die Ruine als Lapidarium zur Aufbewahrung von Plastiken und Fragmenten zerstörter oder abgetragener Gebäude.
Fünfzehn andere Gotteshäuser verschwanden seit 1945 aus dem Dresdner Stadtbild. In der Bombennacht beschädigt, wurden sie in den 1950er- und 1960er-Jahren gesprengt, abgetragen oder überbaut. Die Ruine der Frauenkirche auf dem Neumarkt blieb bis zu ihrem Wiederaufbau ab 1993 ein Mahnmal gegen den Krieg. Nach ihrer Rekonstruktion ging ihr diese Symbolkraft verloren.
Bei der Trinitatiskirche soll das anders werden. 75 Jahre nach der Zerstörung wird das Gotteshaus zur Jugendkirche umgebaut. Ein mit großer Glasfassade gestalteter Kubus wird dabei in die Ruine auf eine Betondecke aufgesetzt. So entsteht ein heller Raum, in dem Gottesdienste und Veranstaltungen stattfinden, er ist Mittelpunkt der neuen Architektur. Um ihn herum, in den Seitenschiffen, gruppieren sich Räume für die Jugendarbeit samt Cafébar. Dazu kommen Büros für das Pfarramt der Evangelischen Jugend. Auf der oberen Ebene sollten ursprünglich ein Dachgarten mit Hochbeeten sowie ein Freibereich entstehen, darauf wird jetzt verzichtet, die Kosten wären zu hoch, der Brandschutz ließ das nicht zu.
2022 soll das Jugendzentrum öffnen
Das Projekt entworfen hat das Dresdner Architekturbüro Code Unique. Architektin und Projektleiterin Paula Koppisch sagt: „Die Trinitatiskirche ist mit ihrer prägenden Silhouette eines der wichtigsten Identifikationsobjekte und stellt nach der Zerstörung der Johannstadt ein wichtiges historisches Zeugnis der Stadtgeschichte dar.“ Und im Gegensatz zu einer Rekonstruktion des historischen Baus, wie bei der Frauenkirche, sei es hier um eine moderne Nutzung der Ruine gegangen, die gleichzeitig nach wie vor ihre Verletzung zeige. Die unter Denkmalschutz stehende Kirche bleibe in ihrer heutigen Ausformung erhalten. Der Grundgedanke des Entwurfs sei der Erhalt der Fragmente der Kirchenruine und wurde in die Planung einbezogen.
Rund sechs Millionen Euro wird der Umbau laut Architekturbüro kosten, gefördert mit fünf Millionen Euro von der Stadt und der Europäischen Union. Schon im Dezember 2019 begannen die Bauarbeiten, 2022 soll das Jugendzentrum öffnen. Bauherr und Betreiber des Hauses ist die Johannes-Kreuz-Lukas-Gemeinde, ein Zusammenschluss von drei Dresdner Gemeinden, die am 1. Januar 2020 vollzogen wurde.
Die Idee für den Umbau entstand bereits vor 15 Jahren, einbezogen wurden nicht nur die Architekten, sondern besonders Gemeindemitglieder und Jugendliche, die das Haus künftig nutzen. „Ihre Wünsche spielten bei der Planung eine besondere Rolle“, sagt Koppisch. Und genau das habe dazu geführt, eben keine Rekonstruktion der Vergangenheit zu erreichen, sondern in die Zukunft zu denken. Bei der Trinitatiskirche würden sich künftig Historie und zeitgenössische Architektur ergänzen.