Wie Dresdner Gastronomen ihre Reste retten

Es ist 14 Uhr, doch das Mittagsbuffet im mexikanischen Restaurant Espitas in Gruna ist noch prall gefüllt. Nur die Texas Ribs und das Chili con Carne werden für die Weiterverarbeitung beiseite geschafft. Von den Resten, wenn man davon sprechen will, dürfen sich nun die Freunde der App "Too good to go" bedienen. Auf Deutsch heißt das so viel wie: "Zum Wegwerfen zu schade".
Das Prinzip ist einfach: Gastronomische Einrichtungen bieten ihre nicht gekauften oder verspeisten Waren lieber portionsweise für kleines Geld an, statt es direkt in die Tonne befördern zu müssen. Immerhin 45 Läden in Dresden beteiligen sich derzeit regelmäßig an diesem Projekt, darunter besonders viele Bäckereien. Das Restaurant Espitas gehört schon seit Jahren dazu.
Der erste Abnehmer an diesem Mittag ist der Geographie-Student Gregor Seifert, der vor der Vorlesung schnell nochmal rüber gekommen ist. Vorbildlich hat er seine eigene Tupperware-Box mitgebracht. Ansonsten hätten die Mitarbeiter ihm eine Bambus-Verpackung zur Verfügung gestellt. Statt der sonst fälligen 7,90 Euro für das Lunch zahlt er 3,90 Euro.
"Too good to go" weiß Gregor schon länger zu schätzen, auch wenn er heute zum ersten Mal im Espitas ist. "Mit der Zeit hat man einen guten Überblick über die Angebote in der Stadt", sagt er. "Es gibt bestimmte Läden, da muss man sehr schnell sein." Denn jede Einrichtung bietet nur eine begrenzte Anzahl an Portionen, je nachdem, wie viele Reste sie erwartet. Sollte unerwartet doch schon vorher alles leer werden, werden die Bestellungen mit einem Klick storniert. Mit diesem Risiko müssen die Anwärter leben.
Für die Bäckereien und Restaurants sind die Zusatzeinnahmen eher marginal. Ihnen geht es eher um einen kleinen Beitrag gegen die immer weiter zunehmende Lebensmittelverschwendung. Immerhin werden in Deutschland jedes Jahr rund 18 Millionen Tonnen Essen weggeworfen, wie die Naturschutzorganisation WWF schätzt.
Neben dem Espitas gibt es gerettete Mahlzeiten in Dresden derzeit unter anderem in der Palastecke im Kulturpalast, dem Café Achtsam, bei Dean & David, im China Garden und in sämtlichen Nordsee-Filialen.
Rückzug wegen fehlender Wertschätzung
In den vergangenen Jahren gab es in Dresden ein ständiges Kommen und Gehen der Anbieter. Aber wieso sollte man sich überhaupt wieder aus der App zurückziehen? Das Café Gemüsetorte in Pieschen ist vor einem Jahr diesen Schritt gegangen. "Das Konzept finde ich grundsätzlich immer noch gut", sagt Änne Stange. Das Problem seien eher die Kunden gewesen, beziehungsweise die Schnäppchenjäger, die abends zu ihr kamen, aber nie "echte" Kunden wurden.
Häufiger seien die Abholer auch unzufrieden gewesen. "Nur drei Stück Kuchen? Beim Bäcker habe ich neulich eine ganze Tüte bekommen." Diese "Geiz-ist-geil"-Mentalität sei ihr mit der Zeit auf die Nerven gegangen. "Das war zum Teil richtig dreist. Ich will aber selbst über meine Reste entscheiden", sagt Änne Stange.
Letztlich habe ihr schlicht die Wertschätzung für ihre Produkte gefehlt. Da verzichte sie nun lieber auf die zwei, drei Euro und gebe ihre übrig gebliebenen Waren seit einiger Zeit stattdessen kostenlos an das Projekt "Foodsharing" ab. "Die freuen sich immer richtig", sagt sie. "Das bringt mir emotional einen viel höheren Mehrwert."
Thomas Heller von der Biokonditorei Bucheckchen in Leubnitz-Neuostra schwört dagegen weiter auf die App "Too good to go". "Alles läuft automatisch und unkompliziert ab", sagt er. In den vergangenen Jahren habe es bislang nur ein einziges mal Ärger mit einem Kunden gegeben, der unzufrieden mit seiner Tüte war. Hinein kommen zum allergrößten Teil Brötchen, da Brot und Kuchen am nächsten Tag noch verbilligt angeboten werden könnten.
Sein abendliches Reste-Angebot hatte Heller bislang stets auf drei Tüten beschränkt, um es nicht zum "Volkssport" zu machen, einfach später einkaufen zu gehen. Da die Angebote jedoch immer besser nachgefragt werden, will Heller nun auf sechs Tüten erhöhen.
Im Espitas in Gruna hat sich Student Gregor inzwischen seine Dose mit Tortillas, Pommes und Gemüse gefüllt. Er ist zufrieden mit seinem Mittagessen. Um die Buchung abzuschließen, lässt er von einem Mitarbeiter noch kurz einen Code auf seinem Smartphone scannen. Erledigt.
So läuft das inzwischen vielerorts in Dresden, auch wenn die App in Leipzig und vor allem dem Westen des Landes schon wesentlich bekannter ist. "Die Stadt Dresden hat noch gutes Potenzial, eine richtig große Lebensmittelretter-Stadt zu werden", sagt Victoria Prillmann, Sprecherin der Too Good To Go GmbH mit Hauptsitz in Berlin.
In den vergangenen Jahren seien durch ihre App in Dresden aber immerhin schon mehr als 50.000 Mahlzeiten gerettet worden, liest sie in ihren Statistiken. Dadurch eingespartes CO2: rund 130 Tonnen.