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Der leise Scharfmacher

Wolf Hagen Braun ist Fraktionschef der AfD in Dresden. Er passe in keine Schablone, sagt er. Seine Ansichten dagegen schon.

Von Andreas Weller
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Für Wolf Hagen Braun ist die Äußere Neustadt „Anarchie pur“, er wohnt ganz in der Nähe. Der neue Fraktionschef sagt, die AfD sei nicht rechts.
Für Wolf Hagen Braun ist die Äußere Neustadt „Anarchie pur“, er wohnt ganz in der Nähe. Der neue Fraktionschef sagt, die AfD sei nicht rechts. © Sven Ellger

Dresden. Blauer Anzug, weißes Hemd und eine blau-rot gestreifte Krawatte sind so etwas wie sein Markenzeichen. Blau, wie die Farbe seiner Partei. Wolf Hagen Braun führt das Dutzend AfD-Stadträte an. Bis zu seiner Wahl ist er öffentlich noch nicht sonderlich in Erscheinung getreten. Wer ist der Mann, der Fraktionschef der umstrittenen „Alternative“ geworden ist?

Kein klassischer Scharfmacher, eher ein Mann der leisen Töne, beinahe unsicher und etwas nervös im Gespräch, wirkt Braun. Andere Politiker nehmen ihn kaum wahr. „Als Fraktionsvorsitzender ist er unsichtbar“, sagt CDU-Fraktionschef Jan Donhauser. „Wie sich einige Stadträte der AfD benehmen, ist bedauerlich, sehr überheblich. Da müsste ein Fraktionschef eingreifen.“ Aber Braun sitze nur in der ersten Reihe, führe nicht die Fraktion.

Auch FDP-Fraktionschef Holger Zastrow und SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser sagen, sie nehmen Braun politisch nicht wahr. „Ich kann aber auch mal aufbrausend sein“, betont Braun. Er beschreibt sich selbst als unkonventionell und pedantisch. Das komme aufs Thema an. „Unkonventionell ist mein Familienbild“, sagt der Unternehmer ein wenig stolz auf sich. Denn anders als in der AfD eher verbreitet, habe er nichts gegen Schwule, Lesben oder alles, was nicht einer – aus Parteisicht – klassischen Familie entspricht. „Jeder nach seiner Fasson“, betont Braun. Pedantisch sei er hingegen bei der „Durchsetzung geltenden Rechts“. „Wenn die Ausnahme zur Regel wird, ist es keine Ausnahme mehr. So wie beim Grenzschutz.“ Damit ist Braun bei einem seiner Lieblingsthemen. „An jedem Flughafen gibt es Sicherheitskontrollen, an den Grenzen will das überhaupt nicht funktionieren.“ Braun zielt auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Flüchtlingspolitik ab.

Knapp zehn Jahre war er CDU-Mitglied. Im Jahr 2000 ist er in Görlitz in die Partei eingetreten. Gebürtig kommt der 42-Jährige aus Rheinland-Pfalz. „Meine Familie ist umgezogen, als ich Kind war – in den Kreis Freiburg.“ Dort hat er nach der zehnten Klasse den Realschulabschluss gemacht, ging danach ein Jahr auf ein Wirtschaftsgymnasium, machte eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Braun ging nicht zur Bundeswehr, sondern leistete Zivildienst in einer anthroposophischen Einrichtung. Diese habe ihn geprägt, sagt Braun: „Ich war aber auch mal Pfadfinder und bin christlich-evangelisch geprägt. Ich passe in keine Schablone.“

Ende der 1990er-Jahre zog die Familie nach Görlitz, Braun arbeitete in der Firma seines Vaters. 2001 gründete er seine eigene Firma in Dresden. Die vermittelt Rohstoffverarbeitungsaufträge. 2010 trat Braun aus der CDU aus. „Sie hat für mich wichtige Themen rechts liegen lassen, ist immer weiter nach links gerückt.“ Das sei mit der Euro-Krise 2008 losgegangen. „Aber auch bei der Masseneinwanderung.“ Die erfolgte seiner Meinung nach „teilweise aus Not, teilweise aus wirtschaftlichen Erwägungen“. 2013 habe es erste Kontakte zur AfD gegeben, 2014 ist Braun bereits als Stadtratskandidat angetreten – zur Unterstützung, wie er sagt, auf einem hinteren Listenplatz. Die AfD sei nicht rechts oder gar -extrem, betont Braun. „Wir füllen das Vakuum, das die CDU hinterlassen hat, als bürgerlich-konservative Kraft.“

„Islamisches Ehrgefühl“

Dass andere die AfD durchaus anders wahrnehmen, bekam Braun während des Wahlkampfes in diesem Jahr zu spüren. Im Mai stand an der Mauer um das Haus, in dem Braun wohnt „Braun = Nazischwein“ und „Braun = AfD Schwein“. Er wohnt mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen, jetzt siebenjährigen Tochter in der Radeberger Vorstadt. „Ich habe die Schmiererei gesehen, als ich morgens den Müll rausgebracht habe.“ Darauf habe er seine Tochter geholt, gehofft, dass sie es nicht sieht, das Kind in die Kita gebracht und danach die Polizei verständigt. „Ich wollte vor allem nicht, dass mein Kind darunter leidet. Ich habe mich gefragt: Warum ich?“ Schließlich trete er ja kaum öffentlich in Erscheinung. Von ähnlichen Schmierereien bei anderen AfD-Kandidaten habe er selbstverständlich gehört. „Aber das war ja noch vor der Wahl und eigentlich außerhalb vom Kiez Äußere Neustadt.“ Bekannt hat sich zu den Schriftzügen eine Initiative, die sich „loslegen – fight AfD“ nennt, auf einschlägigen Internetseiten der Antifa. „So etwas ist extrem unangenehm, also Ziel erreicht“, kommentiert Braun.

Aber abbringen lasse sich Braun dadurch nicht von der Politik. Auch dadurch nicht, dass er im Rathaus von einigen Vertretern anderer Fraktionen ignoriert werde, wie er erzählt. „Wenn ich nicht gegrüßt werde, grüße ich umso freundlicher.“ Außerdem sei es ihm zu „anstrengend“, zu unterscheiden, deshalb behandle er alle gleich. „Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch. Aber nicht um jeden Preis.“

Braun gehe es vor allem um das Thema Sicherheit, genauer möchte er erreichen, dass die Dresdner ihr „Gefühl der Unsicherheit“ ablegen können. Dafür werde sich die AfD einsetzen. „Ich bin Familienvater, habe ein Kind und das soll in Sicherheit und Wohlstand aufwachsen dürfen.“ Dass sich das Gefühl der Sicherheit laut der kommunalen Bürgerumfrage der Stadt bereits verbessert hat, erwähnt Braun nicht. Lieber greift er sich ein prägnantes Beispiel aus seinem Wahlkreis, Dresden-West, heraus. „Die Zahl der Straftaten hat sich im Dresdner Westen um den Faktor 17 gesteigert, auf 268 im vergangenen Jahr.“ Zu dem Bereich gehört auch Gorbitz, wo für den Amalie-Dietrich-Platz, der von der Polizei als gefährlicher Ort eingestuft wird, seit Sommer ein Alkoholverbot gilt. Das hat der Stadtrat bereits als Maßnahme gegen die gestiegene Kriminalität beschlossen. „Ich bezweifle, dass man das mit dem Alkoholverbot alleine in den Griff bekommt.“

Die Stadt hat auch die besondere Einsatzgruppe des Gemeindlichen Vollzugsdienstes aufgestockt, die gemeinsam mit der Polizei in Gorbitz und an anderen gefährlichen Orten wie in Teilen der Äußeren Neustadt Streife läuft. Das reicht Braun auch nicht. „Wir fordern, die Einsatzgruppe um 100 Personen aufzustocken, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu steigern.“ Außerdem fordert die AfD, Flüchtlinge in Heimen statt in eigenen Wohnungen unterzubringen, wenn das Asylverfahren noch nicht geklärt ist. „Menschen aus dem islamischen Umfeld haben ein anderes Ehrgefühl. Wenn die Ehre verteidigt wird, geht es bei ihnen um Leben und Tod“, so Brauns „Begründung“ für die Forderung. Dann würden schnell Messer gezückt und deshalb wolle er sie lieber mit anderen Flüchtlingen unterbringen, als Wohnung an Wohnung mit Dresdnern. „Es kann nicht sein, dass wir uns dem islamischen Ehrgefühl angleichen müssen.“ Auf die Frage, was das mit der Art der Unterbringung zu tun hat, antwortet Braun: „Ich stelle da den Bevölkerungsschutz der Dresdner in den Vordergrund.“

Parkplätze statt „Bäumchen“

Da Braun sich selbst, trotz seiner Äußerungen, nicht im rechten Spektrum einordnet, verwundert es auch nicht, dass er in der AfD-Fraktion keine „rechten Tendenzen“ wahrnimmt. „Die politischen Mitbewerber wünschen es sich wohl anders, aber wir haben keine harten Knochen bei uns.“ Die gebe es in der AfD generell schon. „Leute, die aus der Reihe tanzen, gibt es in anderen Parteien auch.“ Den vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für Rechtsextremismus eingestuften „Flügel“ bezeichnet Braun als „Strömung“. „Dort möchte ich mich nicht verorten, aber ich schaue mir auch das gelegentlich an. Mir ist der Zusammenhalt insgesamt wichtig.“

Ein zweites Herzensthema für Braun ist der Verkehr. „Wir sind da absolut für Gleichberechtigung.“ Aber auf keinen Fall dürften Straßen schmaler werden oder Parkflächen wegfallen. „Der Verkehr muss fließen.“ Deshalb sei es auch zu hinterfragen, ob die geplanten Bäume an der Kreuzstraße tatsächlich gepflanzt werden sollten. „Ob ein paar Bäumchen rechtfertigen, dass Dutzende Parkplätze wegfallen?“ Das bezweifle er doch stark.

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