Corona: Krisen-Leben auf dem Ponyhof

Dresden. Das Leben ist kein Ponyhof - das von Nicolett Menge eigentlich schon. Und trotzdem trifft der Spruch im übertragenen Sinn derzeit auch für die junge Dresdnerin zu, die seit 2017 eine Reitschule im Dresdner Osten betreibt. Wie so viele Kleinunternehmer ist auch sie gerade mit den harten wirtschaftlichen Folgen der Ausgangsbeschränkung konfrontiert. Es gibt so viele Schicksale in der Corona-Krise zu erzählen - Nicolett Menge berichtet, wie sie den Alltag mit ihren Tieren derzeit bestreitet und welche Ideen und Wünsche sie für ihren kleinen Betrieb hat.
Jeden Tag fährt sie zu ihren Ponys und Pferden auf den Hof, den sie sich in den vergangenen Jahren mit viel Kraft, Zeit und Geld aufgebaut hat. In Niedersedlitz, am Rande eines kleinen Gewerbegebietes, stehen die Tiere Tag und Nacht auf der Koppel - und warten auf ihre kleinen Reiter. Die derzeit aber nicht kommen dürfen. Dabei hatte sich Nicolett Menge in den Tagen vor der Ausgangsbeschränkung viele Gedanken darüber gemacht, wie sie gestressten Eltern im Homeoffice mit einer Kinderbetreuung etwas Ruhe verschaffen kann. Hat Kurse zusammengestellt, um die Kleinen mit den Ponys zu beschäftigen, und Betreuer organisiert.
Versorgung der Pferde kostet weiter Geld
"Wir haben am 16. März, am ersten schulfreien Tag, eine Art Notfallprogramm auf die Beine gestellt, haben Ideen geschmiedet. Wir hätten an diesem Montag nicht gedacht, dass uns die Corona-Krise derart schnell treffen könnte." Denn nur einen Tag später musste sie den Betrieb auf ihrem Ponyhof einstellen.
Ähnlich wie Betreiber von Fitnessstudios machte sich Nicolett Menge daraufhin Gedanken, wie sie mit den Eltern umgeht, die in einem Jahresvertrag monatlich Geld überweisen, damit der Nachwuchs reiten lernt. Pro Kind und Monat sind das etwa 100 Euro. 15.000 Euro monatlich stehen auf dem Spiel. Geld, das die Unternehmerin und Pferdefrau benötigt, um alle Kosten für den Ponyhof zu tragen. Futter, Pacht für das Gelände, Tierarzt, Hufschmied - die Versorgung der Tiere kennt keine Pause.
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Zwei festangestellte Reitlehrer sind in Kurzarbeit, zwei Minijobber kann Nicolett Menge derzeit nicht beschäftigen, ebenso wie zwei Reitlehrer, die auf Honorarbasis Unterricht geben. "Für die Selbstständigen ist es echt schwer. Ich will sie eigentlich nicht im Stich lassen." Eine andere Wahl hat die Jungunternehmerin nicht.
Wie die Schulen bietet sie Reitunterricht nun auf einer Onlineplattform an. Die Kinder müssen Aufgaben lösen und können dabei Preise gewinnen. Eine Mitgliedschaft auf dem Ponyhof zum Beispiel. Nicolett Menge denkt an die Zukunft, nutzt die Reichweite der sozialen Netzwerke, will das Gemeinschaftsgefühl bei den Kindern und deren emotionale Bindung an ihre Pferde erhalten. "Das ist ein enormer Aufwand. Ich bin vom Pferde- zum Büromensch geworden."
Doch auch die Tiere brauchen Aufmerksamkeit, sie müssen regelmäßig bewegt werden, denn so sind es die insgesamt 25 Pferde gewöhnt. "Sie stehen sich jetzt auf der Wiese die Beine in den Bauch." Die großen Pferde werden geritten, die Ponys - es fehlen ja die passenden kleinen Reiterlein - anderweitig bewegt. Normalerweise laufen die Schulpferde dreimal in der Woche je vier Stunden. In der Zeit nach Corona müssen sie langsam wieder antrainiert werden.
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Nicolett Menge ist wütend, sagt sie, wenn sie Menschen draußen sieht, die sich nicht an die Corona-Regelungen halten. "Dadurch ist die Beschränkung ja überhaupt erst notwendig geworden. Und für uns schiebt sich der Zeitpunkt immer weiter nach hinten, an dem wir wieder Geld verdienen können."
Auch sie muss auf Finanzhilfen zurückgreifen, um ihren Betrieb über Wasser zu halten. Alle drei möglichen Soforthilfe-Programme nimmt sie in Anspruch, das sei sie ihren Pferden schuldig. "Anders geht es nicht. Nur so haben sie eine Zukunft hier bei mir." Trotzdem habe sie im Auge, dass sie eines Tages viel Geld zurückzahlen muss. "Das könnte mir später auf die Füße fallen." Große Rücklagen zu bilden sei in der Pferdebranche nicht möglich, das weiß Nicolett Menge auch von anderen Reitschulen. "Das Geld muss immer wieder investiert werden, in neue Zäune, in neue Reitplätze und so weiter." Auch sie ist gerade dabei, sich zu vergrößern.
Die freie Zeit nutzen sie und ihr Team für einen Frühjahrsputz auf dem Areal an der Niedersedlitzer Straße. Ein weiterer Reitplatz entsteht, für die Zeit nach Corona, wenn alles wieder anläuft und - so die große Hoffnung von Nicolett Menge - die Familien ihre Kinder wieder zu ihr auf den Ponyhof schicken. "Wer weiß, ob dann bei ihnen für so ein Hobby noch genug Geld da ist."
Alle Infos zur Ponytruppe Dresden gibt es unter www.ponytruppe-dresden.de.