Gesucht: Neuer Chef für Dresdens Dampfer

Dresden. Das schwedische Unternehmen Mercury Urval, eine international tätige Personal- und Managementberatung, sucht derzeit einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin mit Dienstsitz in Dresden. Er oder sie soll eine Traditionsfirma führen, die jeder Dresdner kennt und die zur Stadt gehört wie die Frauenkirche oder der Zwinger.
Auch deshalb wird der oder die Neue unter besonderer Beobachtung stehen. Und weil es das Unternehmen zuletzt nicht leicht hatte. Mercury Urval kann sich mehr als ein halbes Jahr Zeit nehmen, um den Richtigen oder die Richtige zu finden. Dann läuft die Frist ab, die im Zweijahresvertrag der amtierenden Chefin steht. Es ist der 31. Dezember 2020.
Karin Hildebrand hört auf. Die Chefin der Sächsischen Dampfschiffahrt "streicht die Segel". Das hat sie selbst so gesagt. Sie wird die Flotte im Dezember sieben Jahre lang geführt haben.
Ende 2013 hat Karin Hildebrand den Posten übernommen. Überraschend, nachdem der damalige Chef Sebastian Meyer-Storck beurlaubt worden war. Hildebrand kannte das Unternehmen, allerdings nur aus der Ferne. Ihr Mann Klaus führte die Flotte sieben Jahre lang, stets gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer. "Ich bin ein No-name. Ich habe mein Leben überwiegend als Hausfrau und Mutter verbracht, als Familienfrau", sagte die Münchnerin im Dezember 2013 in einem Interview.

Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit musste sie Kritik einstecken. Sie habe keine Ahnung vom Geschäft mit den Dampfern, wurde ihr vorgeworfen. "In unserer heutigen Welt sind Referenzen ganz wichtig - da finde ich es nicht erstaunlich, dass solche Bedenken kommen", erwiderte die neue Flottenchefin. "Aber die kann man im Laufe der Zeit entkräften."
Schon damals war Jeffrey Pötzsch an ihrer Seite. Der ehemalige Dresdner Tourismuschef leitet seit mehr als 20 Jahren die Gastrofirma, die für das Essen und die Getränke auf den Schiffen zuständig ist. Erst hieß sie "die flotte" Schiffsgastronomie und gehörte zum Hilton Hotel. 2012 wurde daraus die ElbeZeit, die direkt zur Dampfschifffahrt gehört. Pötzsch und Hildebrand sind dort Geschäftsführer.
Pötzsch hat seit dem 1. April einen neuen Vertrag. Jetzt steht er Karin Hildebrand auch an der Spitze der Flotte zur Seite. Er ist neuer zweiter Geschäftsführer und soll das auch bleiben, wenn der oder die Neue kommt. Es sei besser, die Verantwortung für schwierige Entscheidungen zu teilen, begründet Karin Hildebrand diese Entscheidung, von der die Gesellschafter der SDS-Gruppe und die Mitarbeiter bereits wissen. Sie wissen auch, dass Karin Hildebrand am Jahresende Schluss macht.
Schwierige Entscheidungen musste sie zuletzt häufig fällen. Wie weiter bei Niedrigwasser, wenn die Schiffe nur eingeschränkt oder gar nicht fahren können? Inzwischen gibt es einen Fahrplan, mit dem die Flotte auch dann Geld verdient, wenn der Elbepegel beinahe zum Durchwaten des Flusses einlädt.

2019 war Karin Hildebrand gefragt, als das Unternehmen in Finanznot war. Um das Überleben zu sichern musste ein Sanierungskonzept her. Zum ersten Mal fanden deshalb zwei Gesellschafterversammlungen in einem Jahr statt. Am Ende stimmten die Anteilseigner ihren Vorschlägen zu, die Banken zogen mit und die Flotte kam wieder auf Kurs.
Die Zukunft der Werft in Laubegast stand in ihrer Amtszeit auf der Kippe, inzwischen hat die Dampfschifffahrt einen langfristigen Vertrag für die Wartung der Schiffe und die ElbeZeit denkt darüber nach, dort auch aktiv zu werden. Platz genug für einen Imbiss ist allemal, außerdem gibt es zwei Dampferanlegestellen, die auch für Passagiere genutzt werden könnten. Allerdings sind sie dafür noch nicht zugelassen.
Zwei Mal hat Karin Hildebrand ihren Vertrag verlängert. "Es nutzt nix, wenn ich nach zwei Jahren die Segel streife", stellte sie fest, nachdem sie vom No-name zur anerkannten Dampfer-Chefin geworden war. "Es ist schwierig, in einem Entwicklungsprozess zu sagen, jetzt gehe ich wieder."
Der Freistaat möge sein Engagement "verstetigen"
Inzwischen ist dieser Prozess offenbar so weit vorangekommen, dass sie keine Bedenken hat, sich zu verabschieden. "Ich bin sehr froh über die Zeit, die ich hier verbracht habe", sagt die Chefin, die noch bis Jahresende, höchstens aber noch zwei oder drei Monate länger an Bord bleiben will. Dann soll der oder die Neue übernehmen. Sie werde das Unternehmen aber als Gesellschafterin "sehr aufmerksam" begleiten, sagt Hildebrand.
In dieser Position hat sie auch weiter Mitspracherecht, immerhin ein Viertel der Anteile an der Sächsischen Dampfschiffahrts-GmbH gehören ihr. Ihr Mann Klaus Hildebrand hat sie 1999 übernommen, als knapp die Hälfte der Anteile aufgeteilt wurde. Die andere Hälfte übernahmen damals die Gründer der Conti Reederei, 51 Prozent hält der Freistaat Sachsen.
Der Freistaat ist auch heute der wichtigste Ansprechpartner der Dampfschifffahrt. Jeffrey Pötzsch richtet als neuer Dampfer-Chef gleich eine Nachricht an die Beamten auf der anderen Seite der Elbe: Das Land habe die Flotte bisher gut unterstützt, auch in der Corona-Zeit. Dieses Engagement möge der Freistaat "verstetigen".

Die Finanzierung sei jedenfalls gesichert durch die SDS-Hausbank und das Land, das Sanierungskonzept sei nicht in Gefahr, trotz Corona, sagt Pötzsch. Von seinem neuen Co-Chef wünscht er sich, dass er "Impulse" gibt, "damit der Markenkern erhalten bleibt". Das ist die Flotte, das sind von allem die neun historischen Dampfer. "Wir müssen uns nicht in großer Einigkeit lieb haben", sagt Pötzsch über seinen künftigen Kollegen.
Für sich nimmt er in Anspruch, dem Unternehmen in den vergangenen reichlich 20 Jahren auch selbst mit nachhaltigen Ideen zu dem verholfen zu haben, was es jetzt ist. "Manchmal auch mit Sachen, die beliebiger sind als das, was uns ausmacht", sagt der neue Dampferchef. Er meint damit Ideen, die mit weniger Mühe verbunden sind, als etwa ein dauerhaft funktionierender Niedrigwasser-Fahrplan oder die Rettung vor der Insolvenz mittels eines Sanierungskonzepts.
Jetzt will er sich dem neuen Anspruch an der Spitze der Flotte stellen, dem sich Karin Hildebrand Ende 2013 kurzfristig und letztlich viel länger als geplant gestellt hat. Die Dresdner Ausflugsflotte als ein Unternehmen in die Zukunft zu steuern, das finanziell funktioniert und dabei Tradition weiterführt. Karin Hildebrand will ihm dabei auch dann helfen, wenn sie nicht mehr Chefin und vielleicht in ihre Heimatstadt München zurückgezogen ist.