Die letzten Geheimnisse im Zwingerhof

Dresden. Wochenlang war es im Zwinger sehr ruhig. Denn die Gemäldegalerie und andere Museen mussten geschlossen bleiben. Erst am vergangenen Dienstag konnten sie wieder öffnen. Die Sempergalerie ist frisch saniert. Derzeit werden die Bogengalerie L und der Französische Pavillon für die neue Ausstellung über den Zwinger ausgebaut, was bis zum Herbst geschafft sein soll.
Ab dem Frühjahr nächsten Jahres sollen die Hauptwege im Zwingerhof saniert werden. Doch zuvor und auch parallel dazu wird Hartmut Olbrich mit seinem Grabungsteam vom Landesamt für Archäologie den Untergrund weiter erkunden. Denn dort hatte der promovierte Bauforscher, der Architekt und Archäologe ist, schon bei ersten Grabungen Überraschendes herausgefunden. Seit über 20 Jahren forscht der 59-Jährige nicht nur für das Landesamt, sondern auch für den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) im Zwinger.
Die Geschichte: Erste Gärten in der Bauzeit des Zwingers
Im Mittelalter wird Dresden durch eine Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert geschützt. Im Bereich des heutigen Zwingers lag sie am Glockenspielpavillon. Im 15. Jahrhundert kommen eine Vormauer als Verstärkung und wahrscheinlich der erste Stadtgraben hinzu, erklärt der Bauforscher.
Mit dem Ausbau Dresdens als Residenzstand entsteht auch die Festung. Errichtet werden zuerst zwei Meter dicke Festungsmauern aus massivem Sandstein mit Bastionen an den Ecken. Bei Ausgrabungen am heutigen Porzellanpavillon hatte Olbrichs Team ein Stück davon freigelegt. Mit dem heutigen Zwingerwall entsteht später eine zweite solche Mauer mit Bastionen. Eine riesige Bastion umschloss das Gelände des heutigen Zwingers. Im 17. Jahrhundert entstehen die Festbauten mit dem Reit- und Schießhaus.
Ab 1709 lässt Kurfürst August der Starke für seine Orangerie den Zwinger bauen. "Zuerst kommen offene Terrassen, die später bis 1719 durch die Galerien und Pavillons überbaut werden", erklärt Olbrich. "Bereits während der Bauzeit hatte man im Innenhof Gärten angelegt."
Die ersten Grabungen: Reste von Pflanzgruben entdeckt
Dass der Zwinger über lange Zeit die kurfürstliche Orangerie beherbergte, ist bekannt. Doch über Jahrhunderte war vergessen, dass der Hof anfangs auch gärtnerisch ausgestaltet war. Bislang sei man immer davon ausgegangen, dass der Hof des 1719 weitgehend fertiggestellten Zwingers nur ein Turnierplatz war. Doch das sei durchaus nicht so gewesen. Das hat Olbrich bei seinen Studien und bei Grabungen im Zwingerhof herausgefunden.
2013 und 2014 hatte Olbrich mit seinem Archäologenteam vier Flächen im Zwingerhof auf Spuren der Gärten und der einstigen Bebauung untersucht. Pöppelmann hatte den Zwingergarten zwischen 1709 und 1718 angelegt und dann zweimal umgestalten lassen. Das hatten die übereinander liegenden Schichten belegt, erläutert Olbrich. "Selbst in einer Tiefe von einem halben Meter waren die Gärten noch erkennbar gewesen."
In der Mitte des Hofs habe es vier Wasserbecken gegeben, um die ornamental gestaltete Gartenflächen angelegt waren. Rasenflächen waren dabei von Buchsbaumhecken und farbigem Kies umrandet. Allerdings waren die Beckenränder - im Gegensatz zu den heutigen Zwingerbrunnen - sehr viel niedriger. Ein Rahmen aus Rasen, Kiesbändern und den Hecken sollte jedoch das Herantreten an die Becken verhindern. Vergleichbare Becken finden sich in anderen historischen Gärten des 18. Jahrhunderts. Gepflanzt wurden hohe Taxus- und Buchsbäume. "Wir haben Reste von Wegen und Pflanzgruben an den Wegen gefunden, die mit historischen Plänen übereinstimmen", berichtet der Archäologe. "Zuvor hatte man angenommen, dass die Pläne nicht ausgeführte Entwürfe sind."
Allerdings war es mit dem Garten schon 1719 vorbei. Im September wollte Kurprinz Friedrich August die habsburgische Kaisertochter Maria Josepha heiraten. Für die Fürstenhochzeit wird der Garten vollständig beseitigt.
Die nächste Aktion: Suche nach Gärten und anderen Resten
Jetzt werden die archäologischen Untersuchungen im Zwingerhof fortgesetzt. Zuerst werden in Kürze die Flächen direkt vor der Bogengalerie L, die derzeit ausgebaut wird, untersucht. Sie werden als Perron bezeichnet, was im Französischen Fußweg heißt. "Man ging davon aus, dass sie als Wege gebaut wurden. Wir untersuchen, ob sie zeitweise bepflanzt waren", sagt Olbrich.
Ab dem Spätsommer soll direkt im Zwingerhof in Richtung Zentrum gegraben werden. "So können wir nicht nur die Bauabfolge der Gebäude nachvollziehen, sondern auch, wie die Gärten zu dieser Zeit gestaltet waren und erweitert wurden."
Der Bauplan: Sanierung in vier Etappen
Die rötliche Schotterdecke im Hof ist nicht optimal. Das ist ein Grund für die Hofsanierte, hatte Ulf Nickol, Leiter der zuständigen Dresdner SIB-Niederlassung (SIB), erklärt. Der marode Belag soll durch eine besser wasserdurchlässige gelbe Schicht ersetzt werden. Zudem sind die asphaltierten Hauptwege zwischen Kronentor und Sempergalerie sowie Glockenspiel- und Wallpavillon dem Besucheransturm nicht gewachsen und stark verschlissen. Deshalb ist geplant, dass diese Hauptwege einen stabilen Belag aus dem harten Postaer Sandstein bekommen.