Der Ex-Dynamo, der doch noch Bundesliga spielt

Das werden Dynamo-Fans nicht gerne lesen, aber Markus Schubert hat alles richtig gemacht. Als der Torwart mit mächtig viel Theater im Sommer den Verein verließ, bei dem er sich vom Talent zur Nummer eins in der 2. Bundesliga entwickelt hat, ablösefrei noch dazu, war die Enttäuschung groß. Doch nun hat er, schneller als gedacht, einen Stammplatz bei Schalke 04, ist also angekommen in der höchsten Fußballspielklasse.
Es gehört wohl zur Ironie des Geschäfts, dass er bei seinem Aufstieg von ähnlichen Umständen profitiert, unter denen er am Ende in Dresden gelitten hat: als ihn die eigenen Anhänger anfeindeten. Das ist nun seinem Kollegen Alexander Nübel passiert, der nach dieser Saison zu Bayern München wechselt.
Es muss nicht immer so steil nach oben gehen wie für Schubert, manchmal kommt man erst über Umwege ans große Ziel. Diese Erfahrung hat Philipp Pentke gemacht. Auch er steht im Tor, auch er hat in Dynamos Jugend gehalten. Wenn man es vergleichen will, war er 2004 das Torwart-Projekt, sollte einen Profi-Vertrag unterschreiben. Doch er lehnte ab. "Ich durfte schon ein paar Mal mittrainieren und es war mein Gedanke, dorthin zu kommen", erzählt der inzwischen 34-Jährige.
Die "Löwen" locken mit der Bundesliga
Allerdings hatte er mit Dynamos Junioren die Qualifikation für die neue Nachwuchsbundesliga verpasst, 1860 München bot ihm die Möglichkeit, in der höchsten Klasse zu spielen. "Das wollte ich mir nicht nehmen lassen", erklärt Pentke seine Entscheidung, die keine gegen Dresden, sondern eine für seine sportliche Perspektive gewesen sei. "Ich habe das nie bereut, es war der richtige Schritt. Das Nachwuchsleistungszentrum bei 1860 war damals auf einem absoluten Top-Standard." Bei Dynamo lief das nach den turbulenten Jahren mit dem Sturz in die viertklassige Amateuroberliga eher nebenbei.

Allerdings bekam Pentke - anders als Schubert bei Dynamo - anschließend zunächst keine Chance bei den großen "Löwen", die damals ein Spitzenteam in der zweiten Liga waren. Bei Energie Cottbus gehörte er 2008/09 zwar zum Bundesliga-Kader, blieb aber ohne Einsatz im Abstiegsjahr. "Ich war überall dabei, saß auf der Bank", meint er rückblickend. "Irgendwann habe ich mir gesagt: Das ist alles schön und gut, tolle Stadien zu sehen, in schicken Hotels zu übernachten. Aber ich wollte endlich selber spielen, Nummer eins sein bei einer richtigen Profi-Mannschaft."
Diese Gelegenheit bot ihm der Chemnitzer FC, wenngleich nur viertklassig in der Regionalliga. "Ich konnte zurück in die Heimat, zu Familie und Freunden. Der CFC war ein ambitionierter Verein, der Aufstieg ein lohnendes Ziel." Das haben sie 2011 erreicht und dabei RB Leipzig deutlich distanziert. "Die Rivalität war riesig, weil die teilweise einen Dritt- und sogar Zweitligakader hatten. Wir wollten unbedingt vor denen sein", erinnert sich Pentke an die besondere Motivation.
Der Schritt zurück bringt ihn auch persönlich vorwärts. "Definitiv. Ich konnte endlich zeigen, was ich drauf habe", sagt er. "Es wird vielen Talenten eine große Karriere vorausgesagt, aber das Wichtigste dafür ist es, zu spielen. Manche wollen das gleich auf höchstem Level, aber das funktioniert nicht immer."
Die Wurfgeschosse räumt er cool beiseite
Auch dafür ließen sich Beispiele aus der jüngeren Dynamo-Geschichte bringen. Marvin Stefaniak kam in Wolfsburg nicht zum Einsatz, ist an Greuther Fürth ausgeliehen. Niklas Hauptmann hat beim 1. FC Köln nur in Liga zwei gespielt, sollte sich bereits in der Winterpause einen anderen Verein suchen.
Dagegen hat Pentke zu Beginn der Rückrunde für 1899 Hoffenheim seine ersten vier Bundesliga-Spiele bestritten, dazu insgesamt zwei im DFB-Pokal. "Daran hatte ich vor ein paar Jahren nicht mehr gedacht", gibt er zu. Vor fünf Jahren ist er von Chemnitz zu Jahn Regensburg gewechselt, um seiner Freundin Maura Visser näher zu kommen. Die niederländische Handball-Nationalspielerin, die in Leipzig gespielt hatte, war nun in Bietigheim bei Stuttgart aktiv. Mit Regensburg stieg Pentke gleich zweimal auf, doch durch einen Auftritt wurde er zumindest vorübergehend berühmt.

In der Relegation um den Aufstieg in die zweite Liga traf der Jahn 2017 ausgerechnet auf 1860 München, führte in der Allianz-Arena bereits zur Pause mit 2:0. Da drehten einige Chaoten unter den "Löwen"-Fans durch, zündeten Pyrotechnik und warfen mit allem, was nicht niet- und nagelfest war. Pentke flogen tatsächlich die Sitzschalen um die Ohren. "Im Spiel ist man voller Adrenalin. Wir wollten unbedingt weiterspielen und aufsteigen, also nicht, dass es abgebrochen wird."
Deshalb stellte er sich nach einer Unterbrechung und Rücksprache mit den Sicherheitskräften wieder ins Tor, räumt die Wurfgeschosse scheinbar cool beiseite. "Wenn ich mir die Bilder im Nachhinein ansehe, hatte ich richtig Glück. Das hätte schlimm ausgehen können. Aber wenn es abgepfiffen ist, freust du dich nur noch, es geschafft zu haben."
Mit Regensburg war er nun angekommen in der 2. Bundesliga, seiner bislang höchsten Stufe. Und dass es weiter rauf gehen könnte, daran habe er keinen Gedanken verschwendet. Inzwischen war Töchterchen Mexie-Sophia geboren. "Ich wollte sie öfter sehen, aber Regensburg - Bietigheim ist keine Strecke, für die man sich mal schnell ins Auto setzt." 270 Kilometer hin und wieder zurück - er musste sich entscheiden.
In Hoffenheim näher beim Töchterchen
Wenn es stimmt, dass der Tüchtige auch Glück hat, dann lässt sich das Angebot von Hoffenheim für Philipp Pentke so erklären. Von dort sind es nur knapp 70 Kilometer bis nach Hause. "Da braucht man nicht mehr lange nachzudenken, es passt alles: Entfernung, Bedingungen, Bundesliga." Zwar ist er jetzt, auf dem Zentit seiner Karriere, wieder die Nummer zwei hinter Oliver Baumann. Aber als der sich am Meniskus operieren lassen musste, erfüllte sich für einen der letzten Sachsen in der Bundesliga der Traum. "Das ist noch mal eine ganz andere Qualität, allein von der Geschwindigkeit. Es macht mich stolz, mit solchen klasse Spielern auf dem Platz zu stehen, sich mit den Besten zu messen", sagt er.

Inzwischen musste Pentke den Platz zwar wieder räumen, was ihm durchaus schwergefallen ist, wie er sagt. "Aber ich kenne meine Rolle und weiß, dass ich reingekommen war, weil sich Olli verletzt hatte. Das tat mir leid für ihn, zumal er seit Jahren Stammtorhüter und Leistungsträger ist. Wir haben ein prima Verhältnis, der Respekt im Torwart-Team stimmt. Das ist mir wichtig."
Pentkes Vertrag in Hoffenheim gilt auch für die nächste Saison, was danach kommt, beschäftigt ihn erst einmal nicht. "Ich fühle mich fit und möchte so lange spielen, wie ich noch einen Ball halten kann", sagt er und lacht. Er ist sportlich zufrieden und privat glücklich. "Der schönste Moment ist, wenn man nach Hause kommt, die Türe aufmacht und die Kleine kommt mit offenen Armen entgegen gerannt." Wenn man eine Karriere planen müsste, wäre seine sicher eine gute Vorlage.
Was ist los bei Dynamo? Alles Wichtige und Wissenswerte – kompakt beantwortet jeden Donnerstagabend im Dynamo-Newsletter SCHWARZ-GELB, auch während der Corona-bedingten Spielpause. Jetzt hier kostenlos anmelden.