Die Diskussion nach Dynamos turbulenter Niederlage

Von Sven Geisler und Jens Maßlich
Mehr Dramatik geht kaum. Dynamo Dresden hat am Freitagabend gegen Darmstadt 98 zu Hause mit 2:3 verloren. Das Ergebnis klingt spektakulär genug, doch das Zustandekommen ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich.
Denn als Schiedsrichter Michael Bacher die zweite Halbzeit anpfeift, beginnt das Spiel neu. Nicht bei 0:0, es steht 1:3. Dynamo liegt nach einer schwachen ersten Halbzeit verdient zurück, gibt sich aber längst nicht verloren. Auch das ist ein Unterschied zur Hinrunde. Aus dem K-Block schallt: „Steht auf, wenn ihr Dresdner seid!“ Und auf dem Rasen wehrt sich die Mannschaft gegen eine Niederlage, die schon besiegelt gewesen zu sein schien.
Der Anschluss ist schnell hergestellt: Nach der Flanke von Sascha Horvath trifft Patrick Schmidt per Kopf (57.). Jetzt sind sie entschlossen, endlich gelingt etwas wie der Doppelpass zwischen Horvath und Patrick Ebert, auch wenn Horvath an Darmstadts Schlussmann Marcel Schuhen nicht vorbeikommt (59.). Schmidt haut sich rein, steht aber kurz danach im Abseits. Jetzt brauchen sie auch etwas Glück: Fabian Holland knallt die Kugel an die Querstange (66.). Kauczinski will jetzt hoch hinaus, stockt die Körpergröße mit einem Wechsel um 34 Zentimeter auf: 2,01-Mann Simon Makienok für den 1,67 Meter kleinen Horvath.
Und nur Sekunden später sorgt der Lange für Unruhe, Schmidt ist da und macht sein zweites Tor. Ausgleich! Ausgleich? Videobeweis. Abseits? Kein Tor. Dabei hat Jannis Nikolaou nicht eingegriffen. Unverständlich. Und dann auch das noch: Makeniok sieht die Rote Karte, fliegt nur sechs Minuten nach seiner Einwechslung vom Platz, weil er gegen Schuhen nicht zurückzieht und den Torwart trifft. Wahnsinn, hier ist wirklich alles drin. Das Stadion kocht vor Wut. Wie bewahrt man jetzt in Unterzahl die Ruhe? Darmstadt verpasst die Entscheidung. Jannis Nikoloau hat die Chance in der Nachspielzeit - Schuhen hält. Unglaubliche Spannung.
Das sagt Kauczinski zu den kritischen Entscheidungen
Wichtig sei es, „mit der gleichen Energie, den gleichen Emotionen wie in den vergangenen beiden Spielen“ aufzutreten, hatte Trainer Markus Kauczinski gefordert. „Da war nicht alles perfekt, waren Fehler dabei. Aber wir haben sie gemeinsam ausgebügelt. Diesen Spirit müssen wir hochhalten.“ Am Teamgeist liegt es nicht, eher an der Konzentration, dass genau das zu Beginn nicht klappt. Dabei hätte es besser kaum beginnen können, denn schon nach vier Minuten durfte sich Kauczinski bestätigt fühlen.
Dem Trainer bereitete die Aufstellung diesmal einige Kopfzerbrechen. Die Frage war weniger, wer spielt, sondern wer für Joesef Husbauer draußen bleibt. „Wir genießen gerade, dass wir eine so große Auswahl haben, auch wenn es nicht immer leicht ist.“ Letztlich hat es René Klingenburg getroffen, der nach zwei kämpferisch guten Spielen auf die Bank musste. Wie erwartet rückte für ihn Josef Husbauer ins Team. Der 29-Jährige Tscheche, von Slavia Prag ausgeliehen, gilt mit seiner Erfahrung als Stabilisator und Lenker in der Mittelfeldzentrale, als Führungsspieler also.
Und jener Husbauer ist es, der mit einem Volleyschuss das 1:0 erzielt. Nachdem Schuhen gegen Linus Wahlqvist noch abwehren kann, ist er im richtigen Moment am richtigen Ort. Doch anders als zuletzt ist Dynamo defensiv anfällig. Mit einem Lupfer kommt Palsson hinter die letzte Reihe, Seungho Paik ist entwischt und hat freie Bahn – der Ausgleich in der achten Minute. Es kommt noch schlimmer, als Kevin Broll einen Abschlag genau auf Darmstadts Mathias Honsak spielt. Über Umwege kommt der Ball zu Tobias Kempe, und der Ex-Dynamo schließt mit einem satten Schuss ab – plötzlich steht es 1:2 und es sind erst zwölf Minuten gespielt.
Der leidenschaftliche Kampf geht verloren
Wie reagieren die Dresdner auf den doppelten Rückschlag? Es herrscht wieder diese fatale allgemeine Verunsicherung. Die Zusammenarbeit klappt nicht, es passieren zu viele einfache Fehler. Das wirkt hinten wackelig und vorn bleibt so gut wie alles im Ansatz stecken oder endet vor dem Abschluss mit einem Missverständnis.
Die Dresdner verlieren die entscheidenden Zweikämpfe, beinahe sieht es so aus, als schlängelten sich die Darmstädter wie um Fahnenstangen bis zum Strafraum. Wieder Honsak als Passgeber, Dursun vollendet. Das 1:3 in der 43. Minute. Auch das noch. Dem Pausenpfiff folgt ein Pfeifkonzert, verständliche Reaktion, klar. Wir? Zusammen? Jetzt? Hat es das nicht schon oft genug gegeben in diesem Stadion vor diesmal 26.243 Zuschauern, dass die Schwarz-Gelben einen Rückstand drehen?
Noch bleiben eben 45 Minuten, um mindestens einen Punkt zu holen gegen die Remis-Könige der Liga. Vorher war es Kauczinski egal, dass Darmstadt zuletzt fünfmal in Folge und insgesamt elfmal unentschieden gespielt hatte. „Es geht um die Qualitäten“, betonte der Trainer. Doch nun wäre ein Punkt schon ein Gewinn.
Und seine Mannschaft ist entschlossen, die Aufholjagd in der Aufholjagd zu starten. Husbauers Schuss hält Schuhen (48.), es ist aber ein anderer Zug zum Tor. Wie kalkuliert man jetzt das Risiko? Mit Ondrej Petrak für Dzenis Burnic ist der zweite Tscheche drin, eher mehr Absicherung als alles oder nichts. Doch mit dem Anschlusstreffer ist der Glaube zurück. Letztlich geht der leidenschaftliche Kampf verloren, weil er einfach zu spät eingesetzt hat.
Hier der Liveticker zum Nachlesen.