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Kleingärtner: "Die sollen uns einfach machen lassen"

Lange hoffte Kleingärtnerin Grit Seifert aus Dresden, dass sich das Unvermeidliche vermeiden ließe. Nun muss sie umziehen und will mehr mitreden.

Von Henry Berndt
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Ein Kleingartenverein ist mehr als die Summe aller Blumen. Grit Seifert ist bereit für den Neuanfang.
Ein Kleingartenverein ist mehr als die Summe aller Blumen. Grit Seifert ist bereit für den Neuanfang. © Marion Doering

Dresden. Lohnt es sich noch, diesen Apfelbaum zu pflanzen? Und dieses Tor zu streichen? Sollte ich das Dach der Laube noch erneuern? Es sind Fragen wie diese, die sich die Mitglieder des Kleingartenvereins Friedland in Strehlen gerade stellen.

Die 63 Parzellen - so viel ist sicher - müssen dem neuen Wissenschaftsstandort Ost weichen. Aber wann? Grit Seifert hat aufgehört, sich gedanklich an einen Termin zu binden. Erst wurde den Kleingärtnern gesagt: nicht vor 2019. Dann hieß es, 2022 sei definitiv Schluss. "Inzwischen ist schon von 2023 die Rede", sagt die 53-jährige Vereinschefin.

Trotzig hat sie vor einem Jahr noch zwei Süßkirschen in ihren Garten gepflanzt. Zur Not kann sie die ja später noch mit rüber nehmen. Hinüber auf das nur wenige Hundert Meter entfernte Stück Land, das ihr und ihren Kleingärtnern als Ausgleich angeboten wurde. Hier werden die Gärten wegbaggert - und dort sollen sie neu entstehen.

Grit Seifert hätte das gern verhindert. Jahrelang kämpfte sie für den Erhalt der Parzellen unweit der Reicker Straße. Dabei wollte sie früher einfach nur das Gartenleben genießen. An der Vereinsführung hatte sie lange Zeit keinerlei Interesse, bis sie ab 2011 in den Vorstand rutschte und 2013 sogar den Vorsitz übernahm. 

Ihren eigenen Garten bewirtschaftet sie seit mehr als 30 Jahren. Ihre besondere Leidenschaft gilt der Blumenpracht, auch wenn sie sich natürlich auch an die obligatorischen Gemüseanbau-Regeln hält.

Mehr als 400 verschiedene Pflanzenarten und Farbvarianten hegt und pflegt Grit Seifert, darunter allein 20 verschiedene Schwertlilien-Farben und mehr als 30 Hauswurz-Arten. Als ihr der Platz auf den rund 300 Quadratmetern zu eng wurde, nahm sie vor sechs Jahren noch den Nachbargarten hinzu. Einige Beete hat sie nach Farben sortiert. Vorn am Zaun sind ihre Schauflächen. "Das ganze Jahr wird durchgeblüht", sagt sie. Das freut auch die Bienen, denen ein Insektenhotel inklusive Rezeption eingerichtet wurde.

Zwischen acht und zehn Stunden am Tag verbringt Grit Seifert hier. Die studierte Informatikerin arbeitet nicht und ihre Kinder sind groß. Aber im Garten gibt es immer genug zu tun. Im Moment halten sie besonders die Wühlmäuse auf Trab. Außerdem kommen fast jeden Tag andere Blumenliebhaber, denen sie gern Stücke ihre grünen Lieblinge zum Mitnehmen absticht. "Nur so schaffe ich wieder Platz für Neuheiten."

Auch mit der Vereinsführung hat sie reichlich zu tun, wenngleich sie frei werdende Parzellen schon nicht mehr neu verpachten darf. Alle Gärten wurden bereits offiziell geschätzt. Die scheidenden Pächter werden entsprechend entschädigt. 

Für das neue Kleingarten-Land hat Grit Seifert klare Vorstellungen - darf sie aber wohl nicht umsetzen.
Für das neue Kleingarten-Land hat Grit Seifert klare Vorstellungen - darf sie aber wohl nicht umsetzen. © Marion Doering

Für Grit Seifert selbst ist klar, dass sie sich am neuen Ort ein neues blühendes Paradies schaffen wird. In ihrem Kopf ist der Garten praktisch schon fertig. "Aber wir haben viele ältere Vereinsmitglieder, die sich keinen Neuanfang mehr zutrauen. Hier hätten sie sicher noch fünf oder zehn Jahre weitergemacht." Das macht die Chefin traurig.

All ihre Versuche, eine Einbindung der Sparte in den Wissenschaftstandort möglich zu machen, blieben letztlich vergebens. "Die Wissenschaftler hätten doch ihre Mittagspause im Grünen verbringen können", schlug sie vor. Außerdem sei die Anlage "eine geile Regenwasserversickerungsfläche" gewesen. "Aber nee, zieht auch nicht."

Grit Seifert redet mit Vorliebe ohne Punkt und Komma, besonders, wenn ihr eine Sache am Herzen liegt. Hörbar stammt sie nicht aus Dresden. Geboren wurde sie in Schwedt, nordöstlich von Berlin. Seit 1986 ist sie Sächsin.

Mit der sächsischen Mentalität kommt sie meist gut zurecht. "Meine 60 Hanseln habe ich im Griff", sagt sie. Was aber kommt wohl im künftigen "Kleingartenpark" auf sie zu? "Schon dieses komische Wort", erregt sich Grit Seifert. Die Stadt wünsche sich ein einheitliches Erscheinungsbild. "Was soll denn das bedeuten?" Eine neue Satzung? "Brauchen wir doch gar nicht. "

Wenn der Umzug der ganzen Sparte schon sein muss, dann will sie bei der Gestaltung wenigstens mitreden. Und genau das ist gerade ihr größtes Problem, was inzwischen viele in der Stadt und beim Stadtverband wissen. "Dabei will ich gar nicht gegen die Stadt arbeiten, sondern mit ihr zusammen."

Stattdessen sei ihr ein fertiges Wegekonzept vor die Nase gelegt worden, mit dem sie höchst unglücklich ist. Die Hauptwege zerschneiden ihrer Ansicht nach unnötig das Gelände. So entstünden viel zu viele der weniger beliebten Eckgärten. Außerdem seien die Parzellengrößen mit oftmals unter 200 Quadratmetern viel zu klein und eine flexible Gestaltung kaum möglich. 

Grit Seifert holt einen Ordner hervor. "Nun guck dir mal diese Handtuch-Gärten hier an. Das geht doch gar nicht." Und dabei denkt sie nicht nur an sich selbst und ihre 400 Pflanzen. Ihre Mitglieder seien größere Gärten gewohnt. Warum sollten sie sich jetzt mit deutlich kleineren zufrieden geben?

Bereits vier eigene Varianten des Wegeplans hat sie entworfen und der Stadt vorlegt. Besonders der vierte Entwurf sei richtig gut angekommen. Eine Umplanung kommt aber wohl dennoch nicht mehr infrage. "Dabei wissen wir doch selbst am besten, was wir wollen. Die sollen uns einfach machen lassen. Mann, eh." Zurückhaltung und eine ausgewogene Argumentation brauche von ihr niemand zu erwarten. "Ich bin kein Politiker, sondern will einfach eine schöne Kleingartenlage."

Zuletzt sei in den Planungen die neue Fläche für den Verein sogar verkleinert worden. "Das beste Stück ist weg, aber die Flächen, wo tonnenweise Brombeeren wachsen, dürfen wir haben."

Grit Seifert will bei allem Elan nicht falsch verstanden werden. Der Umzug ihrer Sparte kann auch positive Dinge mit sich bringen. Viele Bäume in den Parzellen stammen aus der Anfangszeit vor 60 Jahren, genauso wie die Lauben. Außerdem wird am neuen Standort eine zentrale Sickergrube für das Abwasser installiert. 

Für die Vereinschefin steht fest: Es wird in Dresden auch künftig wieder ein Friedland geben. Denn ein Kleingartenverein ist mehr als die Summe von Beeten, Bäumen, Lauben und Zäunen. Es sind die Menschen, die die Parzellen mit Leben füllen. Jeder für sich. Und alle gemeinsam. Daran wird kein Wissenschaftspark etwas ändern.

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