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Warum Dresden eine besondere Rolle spielt

Das deutsche Eisschnelllaufen steckt in einer tiefen Krise. Talente gibt es, aber wie kann der Verband wieder zu alter Stärke zurückfinden?

Von Stefanie Naumann
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Eisschnelllaufen ist seine Leidenschaft. Trainer André Hoffmann ist Olympiasieger. Jetzt fördert er in Dresden Talente.
Eisschnelllaufen ist seine Leidenschaft. Trainer André Hoffmann ist Olympiasieger. Jetzt fördert er in Dresden Talente. © Matthias Rietschel

Dresden. Christa Luding-Rothenburger, Karin Enke und Andrea Schöne – das sind klangvolle Namen aus einer glorreichen Zeit des Dresdner Eisschnelllaufs. Nach der Wende sorgte Jens Boden mit seiner Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City für den bisher letzten internationalen Erfolg. Die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) macht eine der spannendsten und zugleich heikelsten Phasen ihrer Geschichte durch.

Die Zeiten, in denen es regelmäßig Medaillen bei Großereignissen gab, sind längst Geschichte. Nach wie vor ruhen auf der Langstrecke die größten Hoffnungen auf der 48-jährigen Claudia Pechstein. Die Verantwortlichen haben es versäumt, nachfolgenden Generationen einen ebenso erfolgreichen Weg zu ebnen. Doch wie bringt man einen erfolgsverwöhnten, aber tief gefallenen Verband wieder auf Kurs? Dabei spielt der Eislauf-Verein Dresden eine bedeutende Rolle.

Die vorige Wintersaison war für die Dresdner Eisschnellläufer eine überaus erfolgreiche. 48 Prozent der Kadersportler in Deutschland trainieren am Landesstützpunkt Dresden/Chemnitz, die meisten von ihnen in der Landeshauptstadt. Zehn ambitionierte Athleten betreut Bundesstützpunkttrainer André Hoffmann derzeit. Wie die Trainerin Heike Reinwarth, die seit Jahren im Nachwuchs tätig ist, weiß der Olympiasieger von 1988, wovon er spricht.

Das Training wurde in Corona-Zeiten fortgeführt, wenn auch unter besonderen Bedingungen. „Die erste Zeit war kompliziert. Am Anfang waren die Sportler auf sich gestellt und mussten ihre Pläne selbstständig abarbeiten“, sagt Hoffmann. Auch Eisschnelllauf ist eine Teamsportart. Im Wettkampf kämpft zwar jeder für sich, aber ein Training ohne die anderen ist suboptimal für die meisten Einheiten. Die Motivation sei auch in der coronabedingten Pause nie ein Problem gewesen. „Ich habe am Anfang schon kleine Unterschiede festgestellt, aber das hatte weniger mit Motivation zu tun als mit Überwindung, wenn du allein trainieren musst“, sagt der Trainer.

Doch auch für die neue Saison sieht der gebürtige Berliner Probleme. „Wir sind darauf angewiesen, dass die Sportler zu den Wettkampfstätten gefahren werden. Solange keine Zuschauer erlaubt sind, wird es schwierig, das so von den Eltern zu verlangen.“ Hinzu komme, dass bei Wettkämpfen jeder mit jedem in Kontakt käme. „Am meisten Sorge macht mir der Saisonstart im Oktober. Das ist die Zeit, in der keiner sicher weiß, haben die Sportler einen Infekt, eine Grippe oder dieses Jahr vielleicht sogar Corona?", sagt Hoffmann – und er fragt sich: „Wer und wie wird dann getestet?“

Freiluftbahn als Vorteil?

Geplant sei der Wettkampfkalender im Winter zunächst ohne Einschränkungen. Was letztlich wirklich stattfindet, ist derzeit noch offen. Vielleicht profitieren die Dresdner, in Bezug auf mögliche Wettkämpfe, von der sonst von der Konkurrenz eher belächelten 333-Meter-Freiluftbahn. Das Oval im Sportpark Ostra misst 67 Meter weniger als der internationale Standard der 400-Meter-Bahnen. „Ein Kräftemessen in der Halle ist komplizierter zu organisieren wegen Hygiene-Auflagen“, meint Hoffmann – und betont: „Wettkämpfe brauchst du aber. Du willst ja beweisen, dass du gut trainiert hast.“

Hoffmanns Talente sind gut drauf. Das zeigen sie gegenwärtig im Training durch verblüffend gute Leistungen auf den Inlinern. Große Stücke hält er auf Magdalena Mühle und Josephine Schlörb. „Magda muss nur verletzungsfrei durch die Vorbereitungen kommen. Dann kann sie auf 3.000 Meter national angreifen. Josie, die athletisch noch besser ist, muss ihre Nervosität auf dem Eis in den Griff bekommen, um nicht die ewige Trainingsweltmeisterin zu bleiben“, sagt er.

Dass Dresdner Talente national und international konkurrenzfähig sind, „sei der unwahrscheinlich guten Nachwuchsarbeit zu verdanken“, unterstreicht Hoffmann, der seit 2015 in Dresden tätig ist. Alles entscheidend: eine gute Kommunikation. „Wir motivieren uns gegenseitig, tauschen permanent Erfahrungen aus.“ Und wenn mal die Fetzen fliegen: „Wir wissen, dass es nur gemeinsam vorwärtsgeht.“ Die Mädchen und Jungen fangen klein an bei den Trainern Maxi Leipelt und Beate Hennig. Bei Steffen Bobach entwickeln sie sich weiter. „Das ist ganz wichtig", sagt Hoffmann über die Grundlagen-Ausbildung.

„Vonseiten des Verbandes wurde das in der Vergangenheit nicht ausreichend honoriert. Der EV Dresden stand oft hinten an“, kritisiert der Erfolgscoach. Matthias Große, kommissarischer Präsident der DESG und Lebensgefährte von Claudia Pechstein, hat dem Stützpunkt bereits Unterstützung zugesagt. Wie die aussehen wird, lässt Große noch offen. Hoffmann hält zusätzliche Trainingslager für hilfreich.

Außerdem würde er gern kurzfristig für das Eistraining nach Erfurt oder Berlin ausweichen können, wenn das Eis auf der Dresdner Außenbahn bei milden Temperaturen nicht optimal sein kann.

In der Zukunft der DESG stehen aktuell viele Fragezeichen. Fest steht aber: Ohne Dresden geht es nicht.