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So sieht es in einem Dresdner Elbtunnel aus

Die letzten Lücken der großen Abwasserröhre unter dem Fluss sind geschlossen. Wie die technische Meisterleistung gelungen ist.

Von Peter Hilbert
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Chef-Stadtentwässerer Ralf Strothteicher und Bauleiter Martin Lehmann inspizieren den frisch sanierten Abwassertunnel an der Flügelwegbrücke.
Chef-Stadtentwässerer Ralf Strothteicher und Bauleiter Martin Lehmann inspizieren den frisch sanierten Abwassertunnel an der Flügelwegbrücke. © René Meinig

Dresden. Ralf Strothteicher steht mit Martin Lehmann in der weiß glänzenden Röhre tief unter den Kaditzer Elbwiesen. Zufrieden begutachten der Chef der Stadtentwässerung und der Bauleiter der Firma Aarsleff den frisch sanierten Abwassertunnel. In der Fachsprache wird er als Düker bezeichnet. Das kommt aus dem Holländischen und heißt Taucher. Neben der Flügelwegbrücke sind die großen Kräne an den Baugruben links und rechts der Elbe schon verschwunden. Das Großprojekt steht kurz vor dem Abschluss.

Insgesamt gibt es an sechs Stellen in Dresden derartige Abwassertunnel. Der größte Doppel-Düker quert elbaufwärts der Flügelwegbrücke den Fluss. Er wurde 1907 gebaut, um den großen Altstädter Abfangkanal, in dem das gesamte Abwasser von dieser Elbseite gesammelt wird, mit dem Klärwerk Kaditz zu verbinden. Durch ein 1,1 Meter hohes Stahlrohr fließt das Abwasser bei trockenem Wetter. Das wurde bereits 1992 saniert, indem ein harzgetränkter Nadelfilzschlauch in das Rohr eingestülpt wurde und es somit wieder abdichtete.

Jetzt ist die größere, zwei Meter hohe Nachbarleitung an die Reihe gekommen, durch die bei Starkregen das Abwasser unter der Elbe hindurchfließt. Denn in diesem Fall reicht das kleinere Rohr nicht mehr aus. Dann muss der große Nachbar geöffnet werden, der insgesamt 340 Meter lang ist. Die Stadtentwässerung hat rund 4,8 Millionen Euro für die Sanierung investiert. In die Röhre sind ebenfalls zwei mit Polyesterharz getränkte Nadelfilzschläuche eingezogen beziehungsweise eingestülpt worden. In der Fachsprache nennt sich das Inliner.

"Das ist die wichtigste Verbindung zwischen der Altstädter Seite und dem Klärwerk", erklärt Strothteicher. "Durch den Doppeldüker fließen zwei Drittel des Abwassers." Das kommt durch den insgesamt knapp 17 Kilometer langen linkselbischen Altstädter Abfangkanal, der in Kleinzschachwitz beginnt. Die 113 Jahre alte Röhre sei in äußerst schlechtem Zustand gewesen. Am Altstädter und Neustädter Ende besteht die Röhre aus Beton, im Anschluss und unter der Elbe auf insgesamt 230 Metern Länge aus Stahl. Der Beton wies große Poren, Ausblühungen und Risse auf. Zum Teil drückte Grund- und Elbwasser durch die schadhaften Stellen. 

Nicht besser sah es im langen Stahlrohr aus. Besonders im unteren Teil war es am Boden verrostet. Die Stadtentwässerung hatte das Rohr vermessen lassen. Die einstige Wandstärke des Dükers von 22 Millimetern ist um mehr als zehn Millimeter geschrumpft. "Wir sind froh, dass wir ihn mit einem Inliner sanieren konnten", sagt Strothteicher.

Vor allem das Einstülpen der Schläuche im knapp 230 Meter langen Mittelteil sei eine technische Meisterleistung gewesen. Dabei war am 7. April der 53 Tonnen schwere äußere Schlauch mit der Seilwinde eingezogen worden. Am nächsten Tag wurde der 100 Tonnen schwere Innenschlauch mit Wasserdruck eingestülpt. Das Wasser war danach auf 87 Grad erhitzt worden, sodass das Harz aushärtete und der Abwassertunnel eine neue feste Hülle bekam. 

Trotz der Coronakrise habe alles gut geklappt. Aarsleff sei ein bewährtes Unternehmen, mit dem die Stadtentwässerung genauso wie mit anderen Fachfirmen seit Jahren gut zusammenarbeite. "Diese Baustelle war schon eine echte technische Herausforderung, die aber gut gemeistert wurde", sagt Strothteicher. In dieser Länge würde unter der Elbe äußerst selten Inliner eingebaut.

Noch ist die Lücke des Abwassertunnels in der Baugrube neben der der Flügelwegbrücke zu sehen. Mittlerweile ist sie bereits verschwunden.
Noch ist die Lücke des Abwassertunnels in der Baugrube neben der der Flügelwegbrücke zu sehen. Mittlerweile ist sie bereits verschwunden. © René Meinig

Zufrieden ist auch Bauleiter Lehmann, dass in Corona-Zeiten alles so gut geklappt hat. So mussten die in Dänemark hergestellten Schläuche mit Schwertransporten zum Thüringer Aarsleff-Sitz gebracht werden, wo sie für den Einbau in Dresden vorbereitet wurden, nennt Lehmann ein Beispiel.

Am Dienstag war er mit Strothteicher noch in der Neustädter Baugrube in die Lücke im Abwassertunnel gestiegen. Jetzt ist das gar nicht mehr möglich. Denn am Mittwoch schwebte am Baggerarm das letzte, drei Meter lange Rohrstück in die Lücke am Altstädter Ende, einen Tag später folgte das Neustädter Pendant. Jetzt ist die Röhre komplett dicht.

Nun müssen unter anderem noch Schächte fertiggestellt werden, die für künftige Inspektionen nötig sind. Die letzten Restarbeiten bis hin zum Verfüllen der beiden großen Baugruben an der Neustädter und Altstädter Seite der Flügelwegbrücke werden noch bis Juni dauern. 

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