Von Denni Klein
Es waren keine Nazis da, die Dresdner kamen trotzdem: Mehr als 8000 Menschen protestierten am Sonnabend in der Stadt gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. Aber dieser Sonnabend war mehr: Es war ein hoffnungsvoller Blick nach vorn.
Der Chefdramaturg des Staatsschauspiels, Peter Koall, eröffnete die Kundgebung mit optimistischen Worten. Es sei ein guter Tag, weil kein einziger Nazi weit und breit zu sehen sei, rief er den rund 1500 Menschen auf dem Schloßplatz zu. Die Rechtsextremen hatten ihren Marsch zuvor abgesagt. „Es gibt in Dresden heute nur zwei Demos. Beides unsere Demos, der Dresdner Bürger.“ Koall moderierte die erstmals von allen demokratischen Kräften gemeinsam initiierte Kundgebung auf dem Schloßplatz, ein mühsam errungener Anfang.
Ein Dreivierteljahr lang hatten Vertreter der demokratischen Parteien, Gewerkschaften, Kammern und Wirtschaftsverbände und engagierter Vereine diesen Kompromiss gesucht. Bürgerrechtler und Theologe Frank Richter moderierte die Suche, die zeitweilig zu scheitern drohte. Umso freudiger war er am Sonnabend, als alles passte, „sogar die Sonne“.
Es war vor allem Erleichterung, die die Beteiligten erfüllte: Sowohl am 13. als auch am 18. Februar kamen Tausende Dresdner und Gäste zum friedlichen Protest. Allein das ist ein großer Erfolg, gerade nach den Straßenschlachten mit mehr als hundert Verletzten vor einem Jahr. Doch noch mehr war neu: Die Dresdner kamen auch, um für etwas zu demonstrieren. „Dresden bekennt Farbe“ war die Botschaft. „Für Mut, Respekt und Toleranz“ zogen die Teilnehmer nach der Kundgebung vom Schloßplatz durch die Innenstadt, über die Wilsdruffer Straße, den Pirnaischen Platz bis zur Synagoge.
Zuvor hatte der langjährige Bundesminister und Rathauschef von Berlin und München, Hans-Jochen Vogel (SPD) als Hauptredner der Kundgebung deutliche Worte gefunden. „Der Staat muss endlich die NPD verbieten“, rief der 86-Jährige den Dresdnern zu und erntete kräftigen Applaus. Ministerpräsident Stanislaw Tillich sei in diesem Punkt vollständig einer Meinung mit ihm, sagte Vogel. Es sei unerträglich, dass die NPD aus Steuergeldern finanziert werde. So stamme laut Vogel 40 Prozent des NPD-Geldes aus Steuermitteln.
Als Ansatz im Kampf gegen die Verbreitung rechten Gedankenguts forderte Vogel, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen, denn sie gefährde den Zusammenhalt der Gesellschaft und verschaffe Extremisten Gehör. Umrahmt wurden die Reden von einem bunten Bühnenprogramm, bei dem unter anderem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel auftrat. Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz hatte sich am Sonnabend ebenfalls unter die Besucher des Schloßplatzes gemischt. Sie bezeichnete die neue, gemeinsame Form des Protests gegen Rechts als Erfolg. „Kein Nazi war hier. Wir und die Dresdner haben Wort gehalten, haben uns trotzdem zusammengefunden. Ich sehe darin den Beginn einer neuen Kultur eines Miteinanders, die sich daraus entwickelt“, sagte sie. Es mache Mut für die kommenden Jahre.
Dresden ist die Nazis nicht los
Der amtierende Oberbürgermeister Dirk Hilbert zog eine positive Bilanz. Der mühsame Prozess der Annäherung, in dem die Demokraten viele Stunden miteinander um einen Kompromiss gerungen hätten, habe sich gelohnt. Aber Hilbert warnte auch davor, sich jetzt zurückzulehnen. „Es wäre blauäugig zu glauben, dass die Nazis damit für immer aus Dresden verbannt sind.“ Die jüngste Extremismus-Studie für Dresden habe gezeigt, dass sich rechte Strukturen in der Stadt im Alltag verankert hätten und daher täglich für ein weltoffenes Dresden gearbeitet werden müsse. Er verwies als erfolgreiches Beispiel auf das städtische Neujahrsfest für Chinesen und Vietnamesen, das zur Integration beitrage. Die Arbeitsgruppe werde die Erfolge Mitte März auswerten. „Wir müssen immer aufs Neue prüfen, ob das Format angepasst werden muss. Wir wollen für Nazis nicht ausrechenbar werden.“