Selbstgespräche mit Hitlergruß

Dresden. Horst J. hatte es schon Ende 2018 mit einem offenen Brief an den Wursthersteller Rügenwalder Mühle zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Der Sprecher des AfD-Kreisverbandes Leipzig hatte sich bei dem Unternehmen darüber beklagt, dass es in einem TV-Spot einen „Afrikaner“ gezeigt hatte. J. hatte sich am „harmonischen Integrieren (...) von Bürgern aus Afrika in fröhlicher Genießerrunde“ gestört. Der rassistische Ausfall hatte Konsequenzen. J. wurde als Sprecher gefeuert, AfD-Mitglied durfte er bleiben.
Nur ein halbes Jahr später ist der 68-jährige Rentner im Juli 2019 wieder aufgefallen. Am Rande einer Pegida-Demo soll er den Hitlergruß gezeigt haben. Zwei Zeugen, die gegen Pegida und den rechtsextremen Ursula-Haverbeck-Infostand demonstrierten, meldeten das flüchtig gezeigte Nazi-Symbol der Polizei. Die Beamten fanden den Rentner am Altmarkt, der eine Fahne mit den deutschen und russischen Nationalfarben und eine weitere AfD-Fahne schwenkte.
Am Donnerstag verhandelte das Amtsgericht Dresden gegen den früheren Ingenieur der Verfahrenstechnik. Er hatte einen Strafbefehl, in dem er wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu 2.100 Euro verurteilt wurde, nicht akzeptiert. In dem Gerichtsprozess schwieg er nun.
„Eine halbe Sekunde“ Hitlergruß
An jenem Montag kurz vor 19 Uhr habe die Pegida-Demo noch nicht begonnen, berichteten die beiden Zeugen. Ein Dutzend Gegendemonstranten stand vor dem Info-Stand, um dort ihren Protest gegen die Leugnung des Holocausts sichtbar zu machen. Die 91-jährige Haverbeck sitzt in Haft, weil sie etwa den Massenmord der Nationalsozialisten eine Propaganda-Lüge genannt hatte. Fast eineinhalb Jahre hatten die Haverbeck-Unterstützer im Schatten von Pegida Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Versammlungsbehörde hat das Treiben erst im Oktober beendet.
Die beiden Zeugen standen in der Nähe der Gegendemonstranten. Ein 42-jähriger Bürokaufmann sah, wie J. an der Gegendemo vorbei zur Altmarkt-Galerie lief. Er habe vor sich hingebrabbelt, sich offensichtlich an dem Gegenprotest gestört und den Arm kurz ausgestreckt. „Vielleicht eine habe Sekunde“, sagte der Zeuge. Am Haverbeck-Stand sei J. nicht gewesen, sondern in der Altmarkt-Galerie verschwunden. Wenig später sei er mit zwei Fahnen zurückgekehrt. Das war Polizisten aufgefallen, die der 42-Jährige zuvor angesprochen hatte – so konnte J. identifiziert werden. Ein zweiter Zeuge, Doktor der Chemie aus Frankreich, hatte ebenfalls Polizisten gemeldet, dass ein älterer Herr etwa zwei Sekunden lang den Arm ausgestreckt habe.
J. selbst beteuerte seine Unschuld. Verteidiger Roland Ulbrich forderte einen Freispruch. Er sagte tatsächlich, der Hitlergruß sei nicht verwirklicht, sein Mandant habe niemanden gegrüßt. Das sah die Oberstaatsanwältin anders: „Es kommt auf das Symbol an“ – nicht auf das Grüßen.
Der Richter verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro. Die Zeugen seien absolut glaubwürdig und hätte keinerlei Belastungstendenzen gezeigt.